Informationsspezialisten wissen es schon lange: Den Resultaten der diversen Vergleichs- und Bewertungsportale im Web sollte mit größter Vorsicht begegnet werden. Wie fragwürdig die Resultate von Hotelbewertungsportalen tatsächlich sein können, zeigt aktuell eine Untersuchung des ZEW Mannheims. Laut dieser Analyse ist jedes vierte Angebot bei einem Hotelbuchungsportal auf der hoteleigenen Website günstiger zu bekommen. Im Kern geht es auch bei dieser, wie anderen ähnlichen Studien, weniger um einen einzelnen Sachverhalt, sondern ein für Informationsspezialisten zentrales Thema: Informationskompetenz bzw. das Fehlen entsprechender Kompetenz. Im Zusammenhang mit Themen wie Fake News sowie dem Information Overload hat man es hier mit einem nicht nur „technischen" Problem zu tun. Vielmehr sind solche Internetphänomene Ausdruck einer mangelnden Informationskompetenz, deren Sprengkraft auch eine enorme politisch-gesellschaftliche Dimension besitzt, die jeden Tag sichtbarer wird.
Hotelbuchungsportale, wie z. B. die Marktführer in diesem Bereich Booking.com oder Expedia, sind bei reisesuchenden Menschen äußerst beliebt. Laut einer Studie der schweizerischen Hochschule für Wirtschaft und Tourismus Wallis lag der Anteil der mittels Online-Buchungsportalen gebuchten Logiernächte im Jahr 2017 schon bei fast 28 % (https://www.hevs.ch/media/document/2/ota_studie_schegg_2018.pdf). Und tatsächlich ist es ja so einfach. Man gibt sein Reiseziel und sein Reisedatum ein und erhält umgehende eine Liste mit günstigen Hotelangeboten inklusive zahlreicher Bewertungen und Erfahrungsberichte. Ruck zuck ist so ein Hotel gebucht. Prinzipiell bedienen diese Bewertungsportale – und nicht nur die in der Hotel- und Reisebranche – das heutige Informationsverhalten von vielen Menschen, d. h. einfach und schnell erhält man eine Menge an Treffern, denen man eine gewisse Relevanz zubilligt.
Die Untersuchung des ZEW hat aber u. a. festgestellt, dass die Hotelbuchungsportale die Anbieter von Hotelzimmern bestrafen, wenn sie ihre Unterkünfte z. B. auf der eigenen Homepage günstiger anbieten als auf diesen Portalen. Bestraft bedeutet in diesem Zusammenhang, dass sie diese Anbieter in ihren angezeigten Ergebnisranglisten nach hinten versetzen. Für die Studie werteten die Forscher die Suchergebnisse für 250 Städte weltweit im Zeitraum zwischen Juli 2016 und Januar 2017 von Booking.com, Expedia sowie der Metasuchseite Kayak aus. Sie verglichen die Preise derselben Zimmerangebote von mehr als 18.000 Hotels auf verschiedenen Onlinekanälen.
Durch die dadurch eher willkürlichen generierten Ergebnislisten ergeben sich diverse Probleme. Neben rechtlichen Fragen, die sich aus diesem Vorgehen ergeben, ist auch das Nutzerverhalten problematisch. Viele Google-gewohnte Menschen verlassen sich heute praktisch blind auf die ihnen im Netz präsentierten Trefferlisten.
In einer anderen aktuellen Untersuchung von Wissenschaftlern der TU Dortmund wurden die Produktbewertungen auf Amazon unter die Lupe genommen (Quelle:
https://www.tu-dortmund.de/storages/tu_website/Referat_1/Pressemitteilungen_2018/2018_206_Onlinebewertungen.pdf). Dazu wurden die Amazon-Bewertungen von mehr als 1.300 Elektronikprodukten mit den Ergebnissen der Stiftung Warentest für diese Produkte verglichen. Die Resultate lassen hier keinen anderen Schluss zu, als dass so manches Produkt mit manipulierten Rezensionen „geschmückt" wurde. Viele Unternehmen kaufen oder lassen für ihre Produkte positive Rezensionen erstellen. Das ist an sich keine wirkliche Neuigkeit, aber die Häufigkeit der Unterschiede zwischen Amazon-Rezensionen und Warentest-Testergebnissen sind laut dieser Studie erheblich. Grundsätzlich ist es beinahe so, als hätten die Rezensionen kaum etwas mit den mehr oder weniger objektiven Produkttests der Stiftung Warentest zu tun. Insgesamt sind die Amazon-Rezensionen somit mehrheitlich für eine Kaufentscheidung ungeeignet. Es gibt zwar Möglichkeiten, trotzdem einen gewissen Wert aus den Amazon-Rezensionen zu ziehen, z. B. wenn ein Fehler von mehreren Usern erwähnt wird, sollte man hellhörig werden. Auch Rezensionen, die zu ausführlich und sich wie aus der Marketing-Abteilung des Unternehmens anhören, kann man außer Acht lassen. Allgemein sollte aber bei der Nutzung gerade der großen Portale – gleichgültig für welche Produkte oder welche Dienstleistungen – mehr als vorsichtig sein.
Das offene Web ist ohne Frage eine hervorragende Quelle für schnell verfügbare Informationen, die heute jeder Endnutzer nutzen kann. Aber die Frage der Qualität rückt vermehrt in das Zentrum der Diskussion, gerade im Hinblick auf die zunehmende Welle der Falschinformationen. Information Professional bietet sich hier vielleicht eine alte, neue Chance, sich mit ihren „langweiligen", aber gut gepflegten Informationsressourcen ins (Recherche-)Spiel zu bringen. Vermehrt zeigt sich, dass die Informationssuche wesentlich mehr erfordert als bloß den Google-Ansatz im Internet und auch im Intranet zu verfolgen. In einem Video der bekannten Infoprofis von Online-Search-Chefredakteurin Marydee Ojala und Synthexis-Gründerin & CEO Sue Feldman wird genaue auf diese Punkte kritisch hingewiesen. In dem Clip „Don't Assume that All Crawled Information Is Curated" (https://kmworld.brightcovegallery.com/category/videos/enterprise-search-discovery-2018 diskutieren sie die Probleme mit unzuverlässigen Suchergebnissen im offenen Web sowie innerhalb von Unternehmen. Der Mitschnitt stammt aus der Konferenz Enterprise Search & Discovery 2018. U. a. verweisen sie darauf, dass viele Menschen einfach darauf hoffen, eine Antwort auf ihre Fragen zu erhalten. Sie beginnen sowohl im Internet als auch im Intranet ihre Suche zudem immer mit einer Frage, anstatt mit einer speziellen Seite/Website zu starten. Das ist einerseits ein sehr verständliches und nachvollziehbares Verhalten. Das Problem ist dabei, dass dieses Vorgehen in vielen Fällen sogar sehr gefährliche Resultate hervorbringen kann. Im Intranet mögen die Resultate zwar qualitativ – oder sollten es zumindest theoretisch – besser sein als im Internet. Trotzdem versagt die Unternehmenssuche auch heute noch in vielen Fällen oder zeigt Ergebnisse an, die eigentlich nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich sein sollten. Anders gesagt: Wer Hilfe von Unternehmensberatungen benötigt, geht als Unternehmen zu einem anerkannten Unternehmensberater. Ein Unternehmen, das wichtige Entscheidungen treffen muss, sollte sich an die eigenen Informationsspezialisten wenden, anstatt solche Informationen selbst zu „er-googeln".
Genauso wenig wie KI heute schon in der Lage ist, Menschen ihren Arbeitsplatz streitig zu machen, sind derzeit alle Arten an Suchmaschinen nicht in der Lage, eine gründliche manuelle Informationsrecherche durch einen Menschen mit Fachkenntnissen, sprich einen Informationsspezialisten, zu ersetzen. Diese Online-Hilfsmittel dienen nur dazu, einen ersten Eindruck zu gewinnen. Sie sind aber keinesfalls geeignet, wirklich wichtige, d. h. finanziell oder anders weitreichende Entscheidungen ohne zusätzliche Recherchen von Informationsexperten zu fällen.
Bewertungsportale, Suchmaschinen etc. gaukeln den Usern heute vor, dass nur das existiert, was von ihnen gefunden wird. Werden bestimmte Informationen nicht gefunden, bildet sich bei immer mehr Nutzern die Vorstellung, die entsprechende Information sei wirklich nicht vorhanden. Nicht nur die fehlende Transparenz bei der Generierung der Suchergebnisse ist somit ein großes Problem, wie die ZEW-Studie gezeigt hat. Oder um es mit einem Zitat von Mark Twain zu formulieren: „Nicht das, was du nicht weißt, bringt dich in Schwierigkeiten, sonden das, was du sicher zu wissen glaubst, obwohl es gar nicht wahr ist."
Quelle:
Matthias Hunold, Reinhold Kesler, and Ulrich Laitenberger: "Hotel Rankings of Online Travel Agents, Channel Pricing, and Consumer Protection"; http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp18059.pdf
Schlagwörter:
Bewertungsportale, Informationskompetenz, Informationsqualität, Nutzungsverhalten, Suchmaschinen, Transparenz