Podcasting für die Wissenschaftskommunikation
Datum: 28. Dezember 2020
Autor: Erwin König
Kategorien: Fachartikel

Podcasting ist alles andere als ein neues Internet-Phänomen. Bereits Anfang der 2000er-Jahre wurden die Grundlagen für Podcasts gelegt. Bei Podcasts handelt es sich um eine Serie von Mediendateien (Audio- oder Video-Dateien), die über das Internet abgerufen oder heruntergeladen werden können. Schon seit geraumer Zeit haben viele Bibliotheken dieses Medium für sich entdeckt und produzieren heute selbst Podcasts. Inzwischen nutzt auch die Wissenschaft diese Möglichkeit. So gibt es erste Versuche, Podcasts zur Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse einzusetzen. Nimmt man beide Sachverhalte zusammen, ergibt sich fast zwangsläufig die Frage: Wieso sollten Wissenschaftliche Bibliotheken nicht Podcasts für ihre Dozenten produzieren?

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Schließlich unterstützen und beraten Wissenschaftliche Bibliotheken seit langem Lehrende und Studierende, beispielsweise über bestehende Möglichkeiten, die Wirkungen ihrer veröffentlichten Forschungsarbeiten zu messen. Inzwischen gehören neben den klassischen bibliometrischen Kennzahlen auch Altmetriken zum Arsenal für die Wirkungsmessung. Wieso also nicht den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dabei helfen die Wirkung ihrer Arbeiten durch die Erstellung von Podcasts zu erhöhen? Generell stellt Podcasting eine interessante neue Methode dar, wissenschaftliche Forschung einem breiten Publikum bekannt zu machen. Allerdings mangelt es an vielen Lehrstühlen vermutlich noch an dem notwendigen Wissen und der Erfahrung, um professionelle Podcasts zu erstellen. An diesem Punkt könnte nun die Bibliothek einer Hochschule ins Spiel kommen. Denn die Bibliothek dürfte die am besten für diese Aufgabe geeignete akademische Einheit sein, d. h. Wissenschaftliche Bibliotheken sollten im Auftrag von Forscherinnen und Forschern Podcasts produzieren. Der folgende Artikel zeigt grundlegende Schritte auf, die für diese Aufgabe notwendig sind. Dies betrifft sowohl die Auswahl der geeigneten Bibliotheksmitarbeiter und -mitarbeiterinnen als auch die benötigte technische Ausrüstung. Außerdem wird der für die Produktion und Vermarktung der veröffentlichten Episoden erforderliche Prozess beschrieben. Abschließend wird eine vorläufige Einschätzung der Wirkungen von Podcasts vorgenommen. In den letzten Jahren haben sich die Aufgaben und Zuständigkeiten Wissenschaftlicher Bibliotheken für ihre diversen Anspruchsgruppen vor allem durch den digitalen Wandel weitreichend verändert. So zählt bis zum heutigen Tag die Unterstützung des Forschungsprozesses von Dozenten, Doktoranden und anderen Forschenden zu den wichtigsten Aufgaben Wissenschaftlicher Bibliotheken. Vornehmlich müssen sie gewährleisten, dass die Forschenden Zugang zu allen relevanten veröffentlichten Forschungsergebnissen in ihren Fachgebieten erhalten, und sie müssen ihnen helfen eine umfassende Literaturliste zu erstellen. In den letzten Jahren hat sich die Rolle der Wissenschaftlichen Bibliotheken dahingehend weiterentwickelt, dass sie nun auch die Unterstützung bei anderen Aspekten der Forschung und bei der Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten umfasst. Zu diesen neuen Tätigkeiten gehört u. a. die Beratung in urheberrechtlichen Fragen, die Betreuung von Open-Access-Zeitschriften oder die Archivierung von Publikationen und Daten in institutionellen Repositorien. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren haben Bibliotheken aller Art zudem Erfahrungen im Umgang mit sozialen Medien gesammelt. Dabei haben viele Bibliotheken die Vorteile von Facebook, Twitter und YouTube entdeckt, etwa um Marketing für ihre Sammlungen zu betreiben, Nachrichten zu verbreiten und Veranstaltungen zu begleiten oder sie haben sogar neue Informationsangebote kreiert. Bibliotheken sind in der letzten Zeit auch dazu übergegangen, in ihren Räumen Makerspaces und Medienräume einzurichten, so dass ihre Benutzerinnen und Benutzer Video- und Audiodateien erstellen und bearbeiten können. Die angeschaffte technische Infrastruktur, d. h. Geräte und Software, steht nun natürlich auch den Bibliotheksmitarbeitern selbst zur Verfügung. Diese Möglichkeiten werden auch häufig für eigene Zwecke genutzt: viele Bibliotheken produzieren inzwischen regelmäßig eigene Werbevideos und Podcasts. Gefördert wird diese Entwicklung auch dadurch, dass die Mobilfunktechnologie heute praktisch allgegenwärtig ist und überall, d. h. standortunabhängig, genutzt werden kann. Dank der Tatsache, dass heute praktisch jeder ein Smartphone besitzt, sind Podcasts ein ausgezeichnetes Medium, um diese Mediendateien überall konsumieren zu können, auch auf dem Weg zur Arbeit. Infolgedessen befinden sich Wissenschaftliche Bibliotheken nun in einer hervorragenden Ausgangslage, um Podcasts für Lehr- und Werbezwecke zu erstellen und gleichzeitig ein breites Publikum zu erreichen. Grundlage für diesen Beitrag ist die Fallstudie einer renommierten Forschungsuniversität, deren Bibliothek ihren Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen hilft Podcasts zu erstellen. Ziel ist es, dadurch ein breites internationales Publikum zu erreichen, was mit herkömmlichen wissenschaftlichen Beiträgen nur schwer möglich ist. Podcasting als Mittel zur Förderung der wissenschaftlichen Kommunikation ist eine relativ neue und ungewöhnliche Idee in einem Bibliotheksumfeld. Aus diesem Grund ist die vorhandene Literatur dazu alles andere als üppig. Die meisten verfügbaren Fachartikel zu diesem Thema konzentrieren sich auf die Nutzung von Podcasts als studentische Lernressource. Das Konzept der Förderung der wissenschaftlichen Kommunikation mittels Podcasts ist hingegen ein bisher in der Fachliteratur praktisch nicht diskutiertes und untersuchtes Thema. Ein ganz seltenes Fallbeispiel für die Anwendung von Podcasts, um die Sichtbarkeit von Forschung zu erhöhen, stammt aus der Geowissenschaft. Der „Geology Flannelcast“ (https://www.geologyflannelcast.com/) ist ein wöchentlicher Geologie-Podcast, bei dem sich drei Geologen über Themen unterhalten, „an die sich niemand herantraut“. Schon diese Beschreibung zeigt, dass hier mit Spaß wissenschaftliche Themen präsentiert und besprochen werden. Diese Mischung aus Bildung und Unterhaltung kann mit Podcasts sehr gut umgesetzt werden. Das Podcasting hat aber noch weitere Vorteile: Die für das Erstellen von Podcasts benötigte technische Ausrüstung ist relativ günstig zu bekommen, und nach einer gewissen Einarbeitung sind Hardware und auch Software einfach zu bedienen. Und schließlich kann durch die Erzeugung einer angeregten „Gesprächsatmosphäre“ in einem Podcast ein gewisser Informationscharakter beibehalten werden, wissenschaftliche Zusammenhänge können einem breiten Publikum auf unterhaltsame Weise vermittelt werden. Nachfolgend wird auf wichtige Punkte hingewiesen, wenn Bibliotheken diese Möglichkeit wahrnehmen:

  • Zu den allerersten Schritten gehört es, die am besten geeigneten Bibliotheksmitarbeiter und -mitarbeiterinnen für diese Aufgabe zu finden und auszuwählen. In Frage kommen vor allem Personen, die entweder das entsprechende Interesse oder das benötigte Fachwissen für diese Aufgabe mitbringen – idealerweise beides. In dieser Fallstudie hat ein mit der Erstellung von Podcasts erfahrener Bibliothekar sich bereit erklärt den Podcast zu initiieren. Außerdem wirkt ein Doktorand mit, der über entsprechendes geologisches Fachwissen verfügt. Dieser Doktorand wird anschließend auch von dem Bibliothekar geschult, damit der Podcast nach der Produktion der ersten Episoden von dem Doktoranden selbstständig fortgesetzt werden kann. Bei dieser Fallstudie ergänzen sich der Bibliothekar und der Doktorand in idealer Weise. Der Bibliothekar verfügt über langjährige Erfahrung und das erforderliche Fachwissen für die Einführung und Betreuung eines Podcast, der Doktorand bringt das geowissenschaftliche Fachwissen mit. Und außerdem kennt er potenziell gute Kandidaten für ein Interview.
  • In der Planungsphase müssen vor der Produktion der ersten Podcast-Episode diverse Punkte geklärt werden. Dazu gehört auch, dass die für dieses Projekt zuständigen Personen sich mehrere Male treffen, um Logistik, Ausrüstung und Personalbedarf zu besprechen und sich natürlich auf einen Podcast-Namen einigen (hier: „Calling: Earth“).
  • Bei der konkreten Erstellung eines Podcast muss noch einiges mehr berücksichtigt und geplant werden. So müssen potenzielle Interviewpartner ausgewählt, kontaktiert und eingeladen werden. Sobald die angefragten Personen zugesagt haben, müssen Zeit und Treffunkt für das Gespräch vereinbart werden. Wenn das Gespräch beendet ist, muss es auch noch geschnitten und Musik hinzugefügt werden.
  • Bei der Produktion sind noch weitere Herausforderungen zu bewältigen. Dazu gehört es auch, die Bibliotheksverwaltung von den Vorteilen dieser neuen Zusammenarbeit zu überzeugen. Die zweite große Herausforderung ist es, für ein ausreichendes Budget für die Produktion eines professionellen Podcast zu sorgen. Die dritte Herausforderung besteht darin, den Podcast auf den einschlägigen Plattformen, wie Apple Podcasts oder Spotify, zu publizieren, um ein möglichst breites Publikum erreichen zu können. Hier müssen die verschiedenen Anforderungen beachtet werden, ohne die eine Veröffentlichung nicht erlaubt wird. Weiterhin muss ein professionelles Logo designt werden. In der Fallstudie mussten auch geeignete Interviewpartner gefunden werden, die über das entsprechende Fachwissen verfügen, aber auch unterhaltsame Gäste sind. Außerdem ist dafür zu sorgen, dass sich die Interviewten bei dem Gespräch auch wohlfühlen.
  • Hat man alle diese Aufgaben erfolgreich gemeistert und einige Episoden des Podcast produziert, gilt es natürlich anschließend, den Erfolg dieses Podcast zu überprüfen. Hierfür kann man die verschiedenen Statistiken wie Anzahl Downloads, Länderherkunft der User etc. heranziehen. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Interviewten mittels einer Umfrage nach ihrer Meinung zu fragen. Beispielsweise um ihre Einschätzung des Einflusses des Podcast auf ihre Forschung zu erfahren oder mögliche Verbesserungsvorschläge zu erhalten. In dieser Fallstudie wurde zusätzlich noch ein zweiter Fragebogen an Studierende und Dozenten der Universität versendet, um mehr über die Meinung des Publikums selbst zu dem Podcast zu erfahren.

Wissenschaft muss für ein breites Publikum interessanter und zugänglicher gemacht werden, denn Wissenschaft ist alles andere als langweilig. Das ist eine der Hauptaussagen dieses Beitrags. Eine Möglichkeit, Wissenschaft unterhaltsamer zu gestalten, sind Podcasts. Allerdings fehlt den einzelnen Lehrstühlen an Universitäten häufig das notwendige Wissen, um professionelle Podcasts zu erstellen. An dieser Stelle kommen die dortigen Bibliotheken ins Spiel. Sie beraten und unterstützen wissenschaftlich Forschende schon seit Jahrhunderten bei ihren Forschungsaktivitäten. Und Bibliotheken besitzen in der Regel genug Erfahrung, um hochwertige und interessante Podcasts kostengünstig zu erstellen. Eine Zusammenarbeit in diesem eher neuen Bereich für die Wissenschaftskommunikation bietet sich somit fast unwillkürlich an.
Quelle:
Smith, Drew; Cook, Meghan L.; Torrence, Matt: Making Disciplinary Research Audible The Academic Library as Podcaster; in: Information Technology and Libraries, September 2020, https://doi.org/10.6017/ital.v39i3.12191
Schlagwörter:
Beratung, Forschungsergebnisse, Podcasts, Wissenschaftliche Bibliotheken, Wissenschaftskommunikation, Zusammenarbeit

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