Kürzere Aufmerksamkeitsspannen und digitale Informationsüberflutung als bildungspolitische Herausforderungen
Datum: 24. Juni 2023
Autor: Erwin König
Kategorien: Studien

In den letzten 200 Jahren hat die menschliche Gesellschaft verschiedene Entwicklungsstufen durchlaufen, von einer Agrargesellschaft zu einer Industriegesellschaft, dann zu einer Dienstleistungsgesellschaft und aktuell zu einer Informations- und Wissensgesellschaft. Diese gesellschaftlichen Veränderungen haben auch direkten Einfluss auf die Menschen, ihre Arbeit, ihre Freizeit, ihre Informationsbedürfnisse und ihr Medienverhalten. Ein negativer Effekt, der speziell in den letzten Jahrzehnten durch die zunehmende Digitalisierung und Computerisierung unseres Lebens sichtbar wurde, ist die rasant rückläufige Aufmerksamkeitsspanne. Laut einer Untersuchung ist allein in den Jahren von 2000 bis 2015 die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne der Menschen von 12 Sekunden auf 8,25 Sekunden gesunken. Das ist ein Rückgang von mehr als 30 % über einen Zeitraum von gerade einmal 15 Jahren. Unterstellt man etwa nur eine halbwegs lineare Weiterentwicklung dieses Trends, werden wir in wenigen Jahrzehnten kaum noch in der Lage sein, mehr als eine Überschrift ohne Unterbrechung verarbeiten zu können. Die Auswirkungen dieses Phänomens sind vielfältig. Schon heute ist erkennbar, dass junge Menschen sich wesentlich schlechter auf Lerninhalte konzentrieren können, mit entsprechenden Folgen für das durchschnittliche Bildungsniveau. Weitere Effekte sind zunehmende Konzentrationsfehler bei der Arbeit und eine hohe Ablenkungsanfälligkeit besonders durch das Smartphone. Aber auch Informationen und Inhalte werden vermehrt an diese schrumpfende Aufmerksamkeitsspanne angepasst, d. h. sie werden immer kürzer, damit sie schneller konsumiert werden können. Nahezu in idealtypischer Weise ist das anhand der Beiträge auf Social-Media-Plattformen oder Messenger-Diensten zu erkennen, die dieser geringer werdenden Aufmerksamkeit durch Beiträge mit wenigen Zeichen Rechnung tragen. In der aktuellen Diskussion zu diesem Thema wird häufig darauf hingewiesen, dass Aufmerksamkeit trainiert werden könne. Das stimmt zu einem gewissen Grad, allerdings berücksichtigen solche Lösungen und Ansätze nicht unbedingt die eigentlichen Ursachen dieses Problems. Nachfolgend werden die Resultate einer Studie1 vorgestellt, die die Gründe und die Folgen der kürzeren Aufmerksamkeitsspannen analysiert und auch mögliche Lösungen aufzeigt, um generell die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen wieder zu erhöhen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen junge Menschen. Ziel der Untersuchung ist es daher, auch Ansätze zur Verbesserung von deren Lernfähigkeiten zu finden.

...

Um den Artikel in voller Länge lesen zu können, benötigen Sie ein Abo. Jetzt Abo abschließen oder mit bestehendem Konto anmelden!

Mehr zum Thema:

Gen Z und Millennials lieben digitale Medien UND Bibliotheken

Die Generation Z und Millennials, die für ihre tiefgreifende Verbindung zur digitalen Welt bekannt sind, zeigen überraschenderweise auch eine starke Affinität zu physischen Bibliotheken, wie neue Studien der American Library Association zeigen – die Ergebnisse sind...

Auskunfts- und Informationsdienste in Bibliotheken

Die Studie Reference service in libraries like mine: A comparison of current reference service in libraries serving medium, small, and very small institutions von Julie E. Sweeney (Ryan Library, Point Loma Nazarene University, USA)1 zielt darauf ab, die Lücke in der...

Die transparente Dokumentation von Cultural Heritage Datasets

Angesichts der Probleme in Bezug auf Datenqualität und unzureichende Dokumentation von Datensätzen hat die Machine Learning Community begonnen, standardisierte Verfahren zur Erstellung von Datenblättern für maschinelles Lernen zu entwickeln. Das Hauptziel besteht...