Cookies sollen zum Auslaufmodell werden
Datum: 3. Dezember 2013
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Nur wenig Medien-Resonanz hat bisher eine Ankündigung des Suchmaschinen-Giganten Google erfahren, die sich im Prinzip mit der Abschaffung der sogenannten Cookies befasst. Cookies sind bekanntermaßen einfache Textinformationen, die z.B. bei dynamischen Webseiten benötigt werden, um sicherzustellen, dass die Login-Daten eines Users wie Benutzernamen und Passwort bei einem Wechsel einer Webseite nicht verloren gehen. Allerdings werden Cookies schon seit langer Zeit auch missbraucht, um das Surfverhalten der Internetuser auszuspionieren. Bei diesen sogenannten Third-Party-Cookies handelt es sich um Cookies, die nicht von der Website stammen, auf der man gerade surft, sondern von anderen, Dritten. Von daher hört sich die Ankündigung von Google, auf Cookies zu verzichten, für den auf seine Privatsphäre achtenden Internetnutzer im ersten Moment eigentlich positiv an. Allerdings will Google die Cookies mittels eines neuen, sehr fragwürdigen Identifizierungsverfahren ersetzen, das grundsätzlich eine noch bessere Nachverfolgung des Surfverhaltens eines Users ermöglicht.

 

Sinnigerweise bezeichnet Google dieses neue Verfahren als "anonymes Identifizierungsverfahren". Schon dieser Ausdruck beinhaltet einen Widerspruch in sich. Hintergrund dieses ganzen Projekts ist wohl der, dass Google seinen schon jetzt großen Anteil am globalen Online-Anzeigenmarkt von 32,8% (Quelle: eMarketer) noch weiter ausbauen möchte. Mit diesem Identifizierungsprogramm könnte Google einen Wunsch vieler Werbetreibender erfüllen, nämlich maßgeschneiderte Werbung über alle möglichen Endgeräte und Plattformen anzubieten.

 

Und nicht vergessen werden sollte dabei, dass Google inzwischen dank seinem eigenen Internet-Browser Chrome durchaus die Möglichkeit hat, diesen Cookie-Verzicht im Web durchzusetzen. Chrome ist derzeit der am häufigsten genutzte Browser und kommt aktuell auf einen weltweiten Marktanteil von ca. 39% (Quelle: Statcounter, http://gs.statcounter.com/#browser-ww-weekly-201336-201341).

Aber auch bei den Online-Werbern scheint dieses geplante Vorgehen von Google nicht gerade auf viel Wohlwollen zu stoßen. Sie würden in diesem Fall fast gezwungen sein, mit Google zusammen zu arbeiten, da Google bereits jetzt der größte Vermarkter im Web ist. Die über dieses neue Identifizierungsverfahren gesammelten User-Daten würden nämlich exklusiv bei Google liegen. Dies dürfte daher seinen Preis haben. Andererseits könnten mit diesem neuen Konzept wesentlich genauere Profile der User aufgezeichnet werden. Eventuell muss man diese Ankündigung auch unter der Tatsache sehen, dass praktisch alle neuen Webbrowser eine einfache Möglichkeit bieten, die klassischen Third-Party-Cookies zu unterbinden.

 

Erstaunlich ist bisher, dass diese Ankündigung von Google nur wenig Widerspruch ausgelöst hat. Schließlich plant Google nichts anderes, als die Online-Welt komplett umzukrempeln. Vor kurzem gab es einen riesigen Aufschrei in der Öffentlichkeit, als die Bespitzelungssysteme der Geheimdienste NSA und GCHQ bekannt geworden sind. Nun plant Google praktisch die komplette Durchleuchtung der Internetuser, und es regt sich so gut wie kein Widerstand. Aktuell hält sich Google noch mit weiterführenden Informationen zu diesem neuen Identifizierungsverfahren zurück, so dass auch nicht klar ist, wie die effektive Umsetzung aussehen wird.

 

Google ist übrigens auch nicht das einzige führende Unternehmen, das am Ende der klassischen Cookies arbeitet. Facebook und Microsoft wollen ebenfalls die Cookie-Entwickler mit einem eigenen Systemen umgehen. Facebook ist hier schon am weitesten. Seit kurzem kommt der Anzeigendienst des führenden sozialen Netzwerks ohne die klassischen Cookies von Drittanbietern an, und setzt dafür seine eigene User-Tracking-Lösung ein.

 

Eines sollte jedenfalls klar sein, dass Google – genau wie die anderen führenden Internetunternehmen – nicht unbedingt ein Verfechter der Privatsphäre im Web ist. Google betont zwar, dass diese Cookie-Alternative eine technische Verbesserung darstellt und die Sicherheit der Anwender erhöhen soll. Allerdings wird gleichzeitig auch gesagt, dass mit dieser Methode gewährleistet werden soll, dass sich das Web wirtschaftlich rechnet. Mit dieser Zielsetzung ist Google weder besser noch schlechter als seine großen Konkurrenten Apple, Microsoft oder Facebook. Man muss sich als Internetuser immer bewusst sein, dass diese Unternehmen in erster Linie Aktiengesellschaften sind, die ihre Gewinne maximieren wollen. Die Frage ist, ob die Internetgemeinschaft bereit ist freiwillig immer mehr private Daten in die Hände von immer weniger Unternehmen zu geben? Dies ist kaum vorstellbar, aber trotzdem geht die Entwicklung genau in diese Richtung. Am Ende ist es egal, welches System sich durchsetzt. Entscheidend ist nur, dass mit diesen neuen Lösungen wesentlich detailliertere und geräteübergreifende Profile von Internetnutzern erstellt werden können. Und vielleicht noch entscheidender, diese Datenströme werden in den Händen von nur wenigen Unternehmen liegen.

 

Quelle:

Dwoskin, Elizabeth: "Datenschutz: Google erwägt Verzicht auf Cookies"; in: The Wall Street Journal Deutschland, Pressemittelung vom 19. September 2013, online abrufbar unter http://www.wsj.de/article/SB10001424127887324492604579085250323611112.html

 

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