Und noch eine Wikipedia-Geschichte. Eine Studie des im Bereich der Suchmaschinen-Optimierung (SEO) tätigen britischen Unternehmens Intelligent Positioning hat ergeben, dass 99% aller Suchanfragen über Google auf der ersten Ergebnisseite einen Treffer von Wikipedia enthalten. Insgesamt wurden für diese Untersuchung 1.000 zufällig ausgewählte Ein-Wort-Suchanfragen durchgeführt. In diesem Fall zu behaupten, dass „Google Wikipedia liebt“ ist, ist kaum übertrieben. Aus Sicht der Informationsqualität und -vielfalt ist das aber ein mehr als fragwürdiges Resultat. Wenn man berücksichtigt, dass die meisten User kaum einmal die 2. oder 3. Ergebnisseite aufrufen, erkennt man schnell, wie viele hochwertige Informationsquellen einfach unbeachtet bleiben.
Wikipedia ist in diesem Test nicht nur zu 99% unter den ersten 10 Suchtreffern, sondern zu 56% sogar auf dem ersten Platz. Die 2. Stelle belegt das beliebte Web-Lexikon in 24% aller Stichproben und den 3. Rang in 9% aller analysierten Suchanfragen. Sehr gut schneidet Wikipedia bei geographischen und wissenschaftlichen Suchbegriffen ab. Überraschend gut ist das Ranking auch bei Suchbegriffen aus dem Nahrungsmittelbereich sowie bei Kleidung.
Die Liste mit den Suchbegriffen, mit denen es die Online-Enzypklopädie nicht auf die erste Ergebnisseite bei Google geschafft hat, ist recht übersichtlich: Mail, news, trainers, national, sweets, wardrobe, phone, flight. Diese acht Begriffe sind im Bezug auf die Suchmaschinenoptimierung und den unternehmerischen Wettbewerb besonders hart umkämpft, da sie Namensteile von großen Konzernen („national“) oder Dienstleistungen („news“) enthalten.
Übrigens findet man eine hohe Gewichtung von Wikipedia in den Suchergebnissen nicht nur auf Google UK. Wer es nicht glaubt, dem sei ein kleiner Selbsttest mit 10 oder 100 zufällig ausgewählten deutschen Suchbegriffen auf google.de empfohlen. Man kriegt dabei schnell den Eindruck, als ob es fast schon schwierig ist, einen Suchbegriff zu finden, bei dem nicht ein Wikipedia-Artikel bei Google unter den Top 10-Suchtreffern auftaucht. Das in Deutschland wahrscheinlich (noch) nicht ganz ein Anteil von 99% erreicht wird, liegt wohl daran, dass Wikipedia Deutschland deutlich weniger Artikel (ca. 1,4 Mio. Artikel) enthält als ihre englischsprachige Ausgabe (ca. 3,9 Mio. Artikel).
Ob der gefundene Wert von 99% flächendeckend für wirklich alle möglichen Worte gilt, muss noch durch umfangreichere und länger andauernde Tests bestätigt werden. Unabhängig von dem genauen Prozentsatz ist das vorliegende Ergebnis dieser ersten Testreihe für eine pluralistische Gesellschaft eigentlich schon erschreckend genug. So wertvoll Wikipedia für viele User ist, so ist die Bevorzugung durch Google bei der Websuche in diesem Ausmaß nicht nachvollziehbar. Denkbar sind eigentlich nur zwei Gründe, d.h. entweder liegt ein Fehler im Algorithmus von Google vor (kaum vorstellbar) oder Google hilft hier tatsächlich etwas nach. Rational erklärbar ist es jedenfalls nicht, warum sehr kurze und sogar fehlerhafte Wikipedia-Einträge weit vor wesentlich relevanteren und informativeren Webseiten in der Trefferliste auftauchen.
Das Resultat dieser Studie wird indirekt auch durch Aussagen von Wolfgang Sander-Beuermann vom Verein für freien Wissenszugang SuMa e.V. (http://www.suma-ev.de/) gestützt. Laut Sander-Beuermann gibt es weltweit zurzeit 175 Mio. Websites. Die Top-500 Homepages haben allein eine Reichweite von ca. 51%. Folge davon ist, dass 97% aller anderen Websites praktisch bedeutungslos sind. Viele relevante Quellen sind somit für die User praktisch unsichtbar und damit auch nicht nutzbar. Ob sich die Menschheit so eine Verschwendung des Rohstoffs „Information“ langfristig leisten kann?
Damit ist man wieder einmal bei der Frage angelangt, wie man die Dominanz von Google bei der Websuche zumindest reduzieren kann? Die Staatliche Förderung von alternativen Suchmaschinen dürfte kaum der richtige Ansatz sein, wie man etwa an dem misslungenen europäischen Suchmaschinen-Projekt „Quaero“ erkennt. Die Vorherrschaft von Google ist ja nicht zufällig entstanden oder durch eine unredliche Vorgehensweise des Internetriesen, sondern durch einen herausragenden Suchalgorithmus und die unvergleichliche Nutzerfreundlichkeit, dem andere Anbieter bis zum heutigen Tag nicht wirklich etwas entgegen zusetzen haben. Dieses Quasi-Monopol zu brechen kann nur gelingen, wenn es einem anderen Anbieter gelingt, relevantere Ergebnisse sowie ein besseres Usererlebnis bei der Websuche anzubieten. Solche eine bahnbrechende Technologie lässt sich aber auch mit viel Geld nicht einfach auf Knopfdruck herbeizaubern. Bestes Beispiel dafür ist die Microsoft-Suchmaschine Bing, die gut, aber eben nicht besser ist. Und wieso sollte man dann alte Angewohnheiten so einfach aufgeben?