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Informationseinrichtungen leben in schweren Zeiten. Einerseits sind sie in allen Bereichen gewissen Sparzwängen verpflichtet. Auf der anderen Seite sollen sie mit den vorhandenen Mitarbeitern und knappen Budgets noch mehr Informationsangebote und -dienste für ihre Benutzer offerieren. Eine mögliche Lösung für diese scheinbar unlösbare Gleichung stellt das Konzept der mitarbeiterlosen oder offenen Bibliotheken dar. Was versteht man konkret unter diesem Begriff und welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus diesem Konzept? Der nachfolgende Beitrag versucht anhand der Erfahrungen von dänischen Bibliotheken Antworten auf diese und weitere Fragen aufzuzeigen.
Die Ursprünge der offenen Bibliotheken liegen in der Entwicklung von immer besseren automatischen Systemen zum Finden und Verwalten von Informations- und Bibliotheksbeständen. Im Folgenden wird unter einer offenen Bibliothek eine Einrichtung verstanden, die zumindest während eines Teils ihrer gesamten Öffnungszeiten auch trotz Abwesenheit von Mitarbeitern für die Benutzer verfügbar ist. Freiwillige Helfer zählen hierbei nicht zum Bibliothekspersonal. Typisch für offene Bibliotheken ist also, dass es Öffnungszeiten mit und ohne Bibliothekspersonal gibt. Weiteres Merkmal einer offenen Bibliothek ist die Nutzbarkeit praktisch der gesamten Palette an Bibliotheksdienstleistungen für die Besucher auch in diesen mitarbeiterlosen Zeiten. Diese Informationsangebote beinhalten z.B. die Ausleihe und Bereitstellung von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften sowie weiteren Materialien. Damit unterscheidet sich das Konzept der mitarbeiterfreien Bibliothek von ähnlichen neuen Modellen wie der elektronischen Bibliothek durch die Nutzung des physischen Bibliotheksgebäudes.
Die bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Fachliteratur zum Thema „Offene Bibliotheken“ ist aktuell noch sehr spärlich, sodass nur sehr wenige fundierte Erfahrungsberichte vorliegen. Führend bei diesem Thema ist in erster Linie Dänemark. Daneben gibt es noch vereinzelte Beispiele aus Taiwan und Singapur.
Aus diesem Grund wurde im Herbst 2011 eine Befragung unter den 81 dänischen offenen Bibliotheken mittels eines elektronischen Fragebogens gestartet. Die Rücklaufquote dieses Fragebogens liegt bei über 90%. Da die statistischen Erhebungen in vielen der antwortenden Einrichtungen aber mangelhaft sind, und daher kaum Vergleiche mit anderen Bibliotheken möglich sind, wurden schließlich 15 Informationseinrichtungen für die vorliegende Arbeit ausgewählt. Insgesamt haben die offenen Bibliotheken 70 bis 80 Stunden in der Woche geöffnet, wobei die zeitliche Verteilung zwischen mitarbeiterbesetzten und mitarbeiterfreien Stunden durchschnittlich 20% zu 80% beträgt.
Mit dieser Untersuchung wird versucht, vier grundlegende Fragen zu beantworten:
- Was ist charakteristisch für die Ausgangslage, die Standorte und die Öffnungszeiten der offenen Bibliotheken in Dänemark?
- Welche Nutzungsmerkmale weisen die offenen dänischen Bibliotheken auf?
- Wie sehen die typischen Benutzer der offenen Bibliotheken in Dänemark aus?
- Welche Strategien wurden bisher eingesetzt und welche Strategien werden empfohlen, um das Konzept der offenen Bibliotheken in Dänemark weiter zu entwickeln und zu verbessern?
Und natürlich wird untersucht, ob das Konzept der offenen Bibliotheken nicht nur neu, sondern auch ein konkreter (Publikums)Erfolg ist.
Die Benutzer einer offenen Bibliothek lassen sich nach einer anderen, noch nicht veröffentlichten Studie in vier Kategorien einteilen:
- Kurzaufenthalter, die nur für wenige Minuten bleiben.
- Benutzer, die sich durch die Räumlichkeiten der Bibliothek inspirieren lassen wollen.
- Nutzer mit Kindern, wie z.B. Familien.
- Nicht-Ausleiher, die die Bibliothek für sonstige Zwecke wie Zeitungslesen oder für Treffen mit anderen Personen nutzen.
In diesem Zusammenhang wird auch gerne eine weitere Kategorie von „Benutzern“ genannt, nämlich die sogenannten Vandalen. Aktuelle Untersuchungen zeigen aber, dass sich zumindest in Dänemark das Phänomen des Vandalismus in engen Grenzen hält. Ob dies, wie vermutet, mit dem hohen Lebensstandard und der dänischen Gesellschaft zu tun hat, unterliegt aber wohl mehr einer Vermutung als konkreter wissenschaftliche Evidenz.
Generell wird von Zeitungen, Politikern und auch von Bibliotheksdirektoren das Konzept der offenen Bibliotheken als eine Erfolgsgeschichte präsentiert. Der Autor dieses Artikels hinterfragt aber einige der vorliegenden Nutzungszahlen. Er vermutet, dass es insgesamt nicht zu den hohen Steigerungsraten bei den Benutzerzahlen gekommen ist. Es sei nicht auszuschließen, dass viele der regelmäßigen Bibliotheksnutzer ihre Besuche in die mitarbeiterfreien Öffnungszeiten verlagert haben. Wie viele neue User durch das Konzept der offenen Bibliotheken wirklich gewonnen wurden, lässt sich aufgrund des vorliegenden Zahlenmaterials nicht zweifelsfrei bestimmen.
Folgende vier Kategorien von Strategien sollen helfen, das Konzept der offenen Bibliotheken zukünftig weiter zu verbessern:
- Strategien zur Verhinderung von Störungen, Belästigungen und Vandalismus.
- Strategien zur Umwandlung der Bibliothek in einen einladenden und attraktiven Ort für die Benutzer.
- Strategien zur Steigerung der Benutzerfreundlichkeit in den mitarbeiterlosen Zeiten.
- Strategien zur Etablierung der offenen Bibliothek als ein regional beliebter Treffpunkt für Personen.
So setzen dänische Bibliotheken als ein probates Mittel zur Vermeidung von ungewünschten Beeinträchtigungen, wie z.B. mutwillige Beschädigungen, auf wechselnde Öffnungszeiten für die offenen und mitarbeiterfreien Stunden. Ergänzend werden auch Sozialarbeiter beigezogen oder Polizeibeamte zeigen vereinzelt Präsenz, um solche Vorfälle schon im Vorfeld zu verhindern. Einige Bibliotheken setzen zudem auf eine restriktive Altersbeschränkung für die User, wovon wohl in erster Linie jüngere Benutzergruppen betroffen sein dürften. Und es bleibt natürlich auch die Fernüberwachung mittels Kameras und Videoaufzeichnungen.
Im Gegensatz zu vorliegenden Presseberichten relativiert der vorliegende Beitrag die Erfolgsgeschichte der offenen Bibliotheken in Dänemark. So konnte bisher aus den vorliegenden Daten nicht nachgewiesen werden, dass dieses neue Angebot auch mehr und neue User angezogen hat, oder ob nur die bisherigen Nutzer vermehrt die mitarbeiterfreien Zeiten nutzen. Ungewiss ist auch, ob die Zerstörungswut sich deswegen in engen Grenzen hält, weil die offenen Bibliotheken sich überwiegend in ländlichen und wenig bevölkerten Regionen befinden. Was wird passieren, wenn mehr urbane und bevölkerungsreiche Gebiete mit offenen Bibliotheksangeboten versorgt werden? Auf jeden Fall lohnt es sich, dieses interessante Modell auch weiter genau zu beobachten.
Quelle: Johannsen, Carl Gustav: „Staffless libraries – recent Danish public library experiences“; in: New Library World, 2012, Vol. 113, No. 7/8, 333-342