Deutschland bei schnellem Internet weiterhin nur Mittelmaß
Datum: 31. Juli 2015
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Viel ist in den letzten Monaten in Deutschland über Industrie 4.0 oder die Digitalisierung unserer Gesellschaft diskutiert und geschrieben. Was die digitale Infrastruktur angeht, d.h. in erster Linie ein schnelles Internet, sieht es für Deutschland im internationalen Vergleich betrachtet allerdings weiterhin recht bescheiden aus. Besonders ländliche Regionen haben nur selten Zugang zu wirklich schnellem Breitband-Internet. Die deutsche Regierung plant daher bekanntlich, bis zum Jahr 2018 schnelles Internet für alle Bundebürger anzubieten. 50 Megabit pro Sekunde soll dann der Standard sein. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, zeigt der aktuelle "State of the Internet"-Bericht für das 1. Quartal 2015 des Internetinfrastruktur-Unternehmens Akamai.

2015 werden weltweit 3,2 Mrd. Nutzer das Internet nutzen. Damit hat sich die Anzahl der Nutzer innerhalb von sieben Jahren mehr als verdoppelt. Bereits im Jahr 2008 hat der Netzwerkausrüster Cisco festgestellt, dass es mehr internetfähige Endgeräte als Erdenbürger gibt. 2014 sind bereits zwei Endgeräte pro Mensch vorhanden und für 2019 wird prognostiziert, dass auf jeden Menschen drei internetfähige Geräte kommen. Durch das Internet der Dinge, wo Sensoren in fast jedem vorstellbaren Gerät eine Internetverbindung benötigen, wird sich diese Entwicklung noch weiter schnell beschleunigen. Spürbare Auswirkung ist der immer knapper werdende IP4v-Adressenraum. Für Unternehmen, Bildungseinrichtungen oder Internetprovider wird es immer essentieller, eher früher als später entsprechende Anpassungspläne für die neue IPv6 zu entwickeln. So hat aktuell die Adressverwaltungsorganisation ARIN bekanntgegeben, dass sie in Nordamerika nicht mehr allen Anträgen auf Adresszuteilung von IPv4-Adressen nachkommen kann.

Einige interessante Fakten und Daten aus diesem Trendbericht:

  • Das schnellste Internet findet man – wie schon in den letzten Jahren – in Südkorea (23,6 Mbit pro Sekunde), vor Irland (17,4 Mbit/s) und Hongkong (16,7 Mbit/s). Bei Irland hat sich die durchschnittliche Breitbandgeschwindigkeit innerhalb eines Jahres um 63 % erhöht, während in Südkorea gegenüber dem Vorjahr keine Steigerung zu beobachten ist. Weltweit beträgt im 1. Quartal 2015 die durchschnittliche Internetgeschwindigkeit 5 Mbit/s (+30 %gegenüber Q1/2014). Deutschland liegt in dieser weltweiten Rangliste gerade einmal auf dem 26. Rang mit 10,2 Mbit/s (+25 % gegenüber dem Vorjahr).

  • Interessant ist auch die Betrachtung auf Quartalsbasis. Im Vergleich vom 4. Quartal 2014 zum 1. Quartal 2015 fällt ebenfalls Irland auf, wo eine Steigerung von schnellen Internetverbindungen um + 37 % zu beobachten ist. Deutschland und Österreich sind seit dem 1. Quartal 2015 übrigens Mitglieder im Club derjenigen Länder, die im Durchschnitt über Breitband von mehr als 10 Mbit/s verfügen. Deutschland hat im Quartalsvergleich ebenfalls deutlich um + 15 % zugelegt. Einen sehr hohen Zuwachs auf Quartalsbasis weist in Europa noch Norwegen aus mit +24 % (durchschnittliche Internetgeschwindigkeit von 14,1 Mbit/s).

  • Bei den mobilen Internetgeschwindigkeiten ist Großbritannien führend mit durchschnittlichen 20,4 Mbit/s.

  • Bei der Einführung des neuen Internetprotokolls IPv6 nimmt Europa eine Vorreiterrolle ein. Dies ist ein wichtiges Thema, das in der breiten Öffentlichkeit kaum Beachtung findet. Viele Internet-Registrare sind heute nicht mehr in der Lage alle gewünschten IP-Adressbereiche zu vergeben, da es kaum mehr freie IP4v-Adressen gibt.

In einem separaten Bericht hat Akamai sich zur Internetsicherheit geäußert. Auch hierzu einige interessante Angaben:

  • Akamai hat auf seinen Servern eine Verdoppelung der DDoS-Angriffe (Anmerkung: Bei Distributed Denial of Service-Angriffen, kurz DDoS, wird von vielen verteilten Rechnern aus versucht, einen Ziel-Server durch massenhafte Anfragen lahmzulegen, d.h. zu überfluten, so dass der angegriffene Server nicht mehr antworten kann.) vom 1. Quartal 2014 zu dem 1. Quartal 2015 festgestellt. Aber nicht nur die Anzahl der DDoS-Attacken hat stark zugenommen, sondern auch die Art der Angriffe. Diese dauern nun im Schnitt wesentlich länger (24,82 Stunden in Q12015 gegenüber 17,38 Stunden in Q1/2014) und werden mit einer größeren durchschnittlichen Bandbreite durchgeführt.

  • Die häufigsten DDoS-Angriffe, bezogen auf Angriffe mit nicht-verschleierten IP-Adressen, kommen mit 23,45 % im 1. Quartal 2015 aus China. Mit 17,39 % aller Angriffe liegt Deutschland auf dem 2. Platz. Die USA folgt auf dem 3. Rang mit 12,18 %. Allerdings scheinen bei diesen Cyber-Attacken schnelle Veränderungen abzulaufen, was den Ursprung eines Angriffs betrifft. Im 4. Quartal 2014 waren die USA mit 31,54 % noch deutlich auf dem 1. Platz in dieser fragwürdigen Rangliste, während China mit 17,61 % und Deutschland mit 12,0 % dahinter folgten. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass diese drei Länder, d.h. China, Deutschland und die USA, am häufigsten und konstant unter den Top-10-Ländern bei Angriffen mit nicht verschleierten IP-Adressen liegen.

  • Nach Branchen sind von diesen Angriffen am häufigsten die Spielbranche (35,32 % aller Angriffe in Q12015), vor Software und Technologie (25,19 %), Internet und Telekommunikation (13,77 %), Finanzdienstleistungen (8,4 %), Medien und Unterhaltung (7,45 %) sowie dem Bildungssektor (4,93 %) betroffen.

Wir leben in einer Welt des steigenden Informationsangebots, immer größerer Datenmengen, immer mehr Internetuser und auch von immer aufwändigeren Webapplikationen. Es ist eine Tatsache, dass es heute oftmals nicht mehr möglich ist, ohne eine E-Mailadresse bestimmte Dienstleistungen zu erhalten, Produkte zu kaufen oder Behördengänge zu machen. Um diese zunehmenden Anforderungen erfüllen zu können, sind schnelle Verbindungen unverzichtbar. Wie die Autobahnen für Straßenfahrzeuge sind diese Infrastrukturen nicht umsonst zu bekommen und benötigen neben entsprechenden finanziellen Mitteln auch einen entgegenkommenden politischen Willen. In Deutschland ist beides angeblich in ausreichendem Masse vorhanden. Trotzdem hinkt ein rohstoffarmes Land, wie es Deutschland ist, bei dem Aufbau des schnellen Internets im internationalen Vergleich hinterher. Besonders in vielen ländlichen Regionen fehlt es an entsprechenden Breitbandverbindungen. Teilweise fehlt es nicht nur am Internet, selbst mobil telefonieren gestaltet sich in einigen Gegenden schon schwierig (Stichwort: Funklöcher, z.B. im Schwarzwald). Es wird allerhöchste Zeit, dass die Landbevölkerung in Deutschland an das 21. Jahrhundert angeschlossen wird. Nur so lässt sich vielleicht die ständig zunehmende Bevölkerungsabwanderung vom Land in die Stadt stoppen. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade auf dem Land die deutsche Bevölkerung noch schneller altert, als dies in der Stadt der Fall ist. Schnelle Leitungen sind somit nur ein Teil der Gleichung, d.h. es muss auch eine gewisse Informations- und Medienkompetenz vermittelt werden. Und natürlich ist ein schnelles Internet allein keine Garantie, dass die Landflucht verhindert werden kann. Ohne die Bereitstellung einer leistungsfähigen Internet-Infrastruktur wird sich aber dieser Trend sicher noch beschleunigen.

Quellen: Akamai (Hrsg.): "Akamai’s State of the Internet: Q1 2015 Report"; 2015, Vol. 8, No. 1, online verfügbar unter http://www.stateoftheinternet.com/resources-connectivity-2015-q1-state-of-the-internet-report.html (Registrierung erforderlich) Akamai (Hrsg.): "Akamai’s State of the Internet: Security - Q1 2015 Report"; veröffentlicht am 24. Juni 2015, online verfügbar unter http://www.stateoftheinternet.com/resources-web-security-2015-q1-internet-security-report.html (Registrierung erforderlich)

Schlagwörter: Breitbandinternet, Breitbandversorgung, Deutschland, Internetgeschwindigkeit, Internetversorgung, Sicherheit

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