Alles kürzer, alles bunter und alles größer
Datum: 12. Januar 2014
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Die Erforschung von sozialen Netzwerken sowie ihre Folgen auf unsere Gesellschaft schreiten immer weiter voran. So hat eine aktuelle Studie sich eines neuen Phänomens bei der Nutzung des populären Kurznachrichtendienstes Twitter angenommen. In den letzten Jahren wurde beobachtet, dass die ohnehin auf maximal nur 140 Zeichen begrenzten Meldungen von den Usern im Lauf der Zeit noch weiter verkürzt worden sind. Ähnliches berichtet das Präsentationsportal SlideShare, das einen deutlichen Rückgang bei den pro Präsentationsfolie verwendeten Worten festgestellt hat. Diese Verkürzung unserer Sprache ist übrigens ein globales Phänomen, aber keines, das exklusiv unserem Internet-Zeitalter zuzurechnen ist. So hat sich auch die Gesprächslänge in Büchern und Filmen in den letzten 200 Jahren deutlich verkürzt.

Für die Twitter-Studie haben die zwei Wissenschaftler Christian Alis und May Lim von der "University of the Philippines" analysiert, wie sich das Nutzungsverhalten bei Twitter in Bezug auf die Länge der Tweets im Zeitraum von September 2009 bis Dezember 2012 verändert hat. Dazu haben sie 229 Millionen Tweets in englischer Sprache aus diesen Jahren auf die Anzahl der Wörter untersucht. Hierbei haben sich folgende interessante Aussagen und Resultate ergeben:

  • Die Anzahl der Kurznachrichten, die die volle 140-Zeichenlänge ausnutzen, bleibt über die Jahre gesehen konstant.
  • Diejenigen Tweets, die weniger als 140 Zeichen aufweisen, weisen allerdings immer weniger Worte auf. Im Beobachtungszeitraum von 2009 bis 2012 hat sich die durchschnittliche Anzahl der Wörter von acht auf fünf in einem Tweet verringert.
  • Aber nicht nur bei der Anzahl der Wörter ist es zu einer Reduzierung gekommen. Auch die benutzten Wörter selber werden immer kürzer. Ursache dafür sind der häufigere Einsatz von Abkürzungen sowie Veränderungen bei der Rechtschreibung, da die User immer häufiger Worte verbinden. Auf Twitter werden somit zunehmend Jargon-Begriffe verwendet.
  • Ein Phänomen konnten die Forscher allerdings nicht erklären, und zwar weshalb User aus dem Südosten und Osten der USA kürzer twittern als in anderen Regionen.

Ein ähnliches Verhalten hat das Präsentationsportal SlideShare bei dem auf diesem Netzwerk veröffentlichten Präsentation festgestellt:

  • Die Anzahl der Folien pro Präsentation ist allein im Jahr 2013 von durchschnittlich 18,8 auf 14,4 Folien je Präsentation zurückgegangen. 2011 lag die Anzahl der Folien noch bei durchschnittlich 21,1.
  • Für 2013 wurde beobachtet, dass pro Slide 29% weniger Worte enthalten sind als noch 2012.
  • Dafür hat die Anzahl der Bilder pro Präsentation um 53% gegenüber dem Vorjahr und 143% gegenüber dem Jahr 2008 zugenommen. Der Trend ist auch hier klar: weniger Worte, mehr Bilder. Eigentlich logisch, da das Gehirn 60.000x schneller Bilder als Text verarbeiten kann.
  • Gleichzeitig sind die in einer Präsentation eingebetteten Bilder gegenüber 2012 um 16% größer geworden. Auch bei Facebook und Twitter wurde dieses Jahr eine Zunahme von größeren Bildern beobachtet.
  • Infografiken scheinen die User auf SlideShare wesentlich mehr anzuziehen als reine Präsentationen oder Dokumente. Laut SlideShare haben die User 5x mehr auf den "Gefällt mir"-Button als bei Präsentationen und 21x öfter als bei Dokumenten gedrückt.

Die Twitter-Studie sowie die SlideShare Zeitgeist-Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass die sozialen Medien vermehrt Einfluss darauf haben, wie wir kommunizieren und wie wir auch Informationen bevorzugt konsumieren. Die sozialen Medien verändern gleichzeitig unsere Alltagssprache mit neuen Begriffen wie Hashtags, Likes oder Follower. Und auch die Informationsverarbeitung entfernt sich immer mehr von textlichen Informationen hin zu visueller Darstellung. Oder auf eine kurze Formel gebracht:  es wird alles kürzer (Anzahl der Worte und Länge der Worte), bunter (Infografiken) und größer (immer größere Bilder). Die Frage bleibt, ob dies bezogen auf die inhaltliche Güte von Informationen eine gute Entwicklung ist.

Quellen:

Alis, Christian M.; Lim, May T.: "Spatio-temporal variation of conversational utterances on Twitter"; in: PLoS One, letzte aktualisierte Version Nr. 3 vom 2. November 2013, online abrufbar unter http://arxiv.org/abs/1310.2479

SlideShare (Hrsg.): "SlideShare Zeitgeist 2013"; Präsentation vom 9. Dezember 2013, online abrufbar unter https://de.slideshare.net/Slideshare/slideshare-zeitgeist-2013-29038790

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