Editorial 9-2021
Datum: 28. Dezember 2021
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit – Themen für Wissenschaftliche Bibliotheken?

Bibliotheken sind oft große Institutionen. Sie betreiben und unterhalten Gebäude mit erheblichen Raumvolumina und entsprechendem Energiebedarf. Bibliotheken beschäftigen Personal, sie verbrauchen Ressourcen und bieten Nutzerinnen und Nutzern eine Vielzahl von Inhalten, Produkten und Dienstleistungen an. Das sind genug Voraussetzungen, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie es denn um die Fragen von Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit in den Bibliotheken bestellt ist. Schon seit einiger Zeit taucht der Begriff der „Green Libraryˮ auf. Jeder, der diesen Ausdruck liest, hat eine bestimmte, oft aber nur vage Vorstellung davon, was denn eine „Green Libraryˮ ausmachen sollte. Aber eine belastbare Definition und vor allem ableitbare Handlungs- oder Umsetzungsoptionen sind noch immer kaum verfügbar. Wir versuchen deshalb in zwei Beiträgen in der vorliegenden Ausgabe der Library Essentials Klarheit in die Sache zu bringen. Ab Seite 9 diskutieren wir die Fragen zum Begriff der „Grünen Bibliothekˮ, ab Seite 13 analysieren wir eine Studie zur Nachhaltigkeit von Bibliotheken.

Ein ähnliches Thema ist die Barrierefreiheit von Bibliotheken und in Bibliotheken: Sie ist auch mit den Fragen von Nachhaltigkeit und Werteorientiertheit verbunden, vor allem aber mit der bibliothekarischen Idee vom Zugang für alle assoziiert. Barrierefreier Zugänge bedarf es aber nicht nur für die Gebäude und Räumlichkeiten von Bibliotheken, sondern auch für ihre Dienstleistungen und Angebote. Wer jetzt an Lesesäle und Schalter denkt, die für gehbehinderte Menschen, vielleicht im Rollstuhl, zugänglich sind, oder an Vorlesegeräte und Vergrößerungsapparate für sehbehinderte Menschen, liegt nicht falsch, aber das ist noch längst nicht alles. Bibliotheken und insbesondere Wissenschaftliche Bibliotheken geben sehr viel Geld für die Lizenzierung von elektronischen Produkten wie E-Books, Datenbanken und elektronische Zeitschriften aus. Auch hier kann erwartet werden, dass beeinträchtigte Personen leicht Zugriff haben und dass Nutzungsoptionen bestehen, die im Sinne einer Barrierefreiheit Zugang ohne Einschränkung erlauben. Dass das alles keine Selbstverständlichkeit ist, zeigen Berichte über den noch immer nicht bei barrierefreien Zugang zu einer Vielzahl elektronischer Bibliotheksangebote.

Die Schaffung von Barrierefreiheit für digitale Angebote ist aber keine reine Bibliotheksaufgabe. Bereits bei der Lizenzierung und beim Einkauf dieser Produkte sollen und können Bibliotheken ihre Geschäftspartner (Verlage und Agenturen) auf die Notwendigkeit von barrierefreien Zugängen auf die Produkte hinweisen und entsprechende Angebote und Strategien erwarten dürfen. Was auf diesem Wege noch nicht gelingt, kann von Bibliotheksseite noch ergänzt oder nachgebessert werden. Die Bibliothek ist dies auch vor dem Hintergrund ihres Anspruchs nach Zugang für alle natürlich auch beeinträchtigten Nutzern schuldig. Zusammen mit den Anbietern sind Bibliotheken dann in der Lage, beeinträchtigten Nutzerinnen und Nutzern einen bestmöglichen Service und eine bestmögliche Nutzbarkeit und Zugänglichkeit zu gewährleisten.

Mit den Themen Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit werden wir uns sicher noch lange beschäftigen müssen. Und das ist gut so, weil auch die Berücksichtigung dieser Themen Bibliotheken langfristig sicher positionieren kann.

Vielleicht ja genau das Thema, das uns im kommenden Jahr beschäftigen sollte?
Ihnen und Ihren Familien wünsche ich auch im Namen der gesamten Redaktion und des Verlags einen guten und gesunden Start ins Neue Jahr und ein erfolgreiches Jahr 2022.

Herzlich
Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.