Editorial 9-2018
Datum: 13. Dezember 2018
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Das Prinzip Hoffnung

Wer sich über die dramatischen Veränderungen in der Publikationsindustrie und in den betroffenen Informationseinrichtungen und Bibliotheken die Augen reibt, wird schnell bei der Frage landen, ob überhaupt noch Hoffnung besteht, die eine oder andere bekannte Struktur oder Organisation noch zu erhalten, oder ob nun doch alles endgültig neu gedacht werden muss.

Gibt es noch Hoffnung? Worauf denn, müsste man antworten, wird mit der Frage nach der Hoffnung und dem Wunsch auf Hoffnung doch oft die Erwartung eines guten Ausgangs verbunden. Gibt es noch Hoffnung, soll dann heißen: Wird am Ende alles gut werden?

Leider kann sich diese Hoffnung heute niemand machen. Niemand weiß, wie die Zukunft aussehen wird und ob alle Veränderungen, die wir in Gang setzen oder die von externen Kräften in Gang gesetzt werden, wirklich alles besser machen und zum Guten wenden (was voraussetzt, dass man das Bestehende und Gegenwärtige als schlecht und unvollkommen empfindet und bewertet). Vielleicht wird ja alles gut werden und vielleicht wird alles sogar besser. Dafür arbeitet jeder von uns. Und wer heute Entscheidungen treffen muss, dem unterstellt man (hoffentlich zu Recht), dass er oder sie beim verantwortlichen Handeln mit einer großen Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass die getroffenen Entscheidungen (etwa die großen Veränderungen in den Businessmodellen der Publikationsindustrie) ein gutes, ja ein besseres Ende nehmen. Versprechen kann dies aber niemand, auch wenn alle noch so sehr davon überzeugt sind, und wenn noch so wichtige Autoritäten in den Zeugenstand berufen werden.

In die Zukunft kann niemand blicken und vielleicht wird ja alles schlechter werden und gar nichts besser, aber auch das kann man nicht beweisen, schlimmstenfalls befürchten.

Oder wie es der Theologe Fulbert Steffensky so treffend formuliert: „Die Hoffnung kann lesen. Sie vermutet in den kleinen Vorzeichen das ganze Gelingen. Sie stellt nicht nur fest, was ist. Sie ist eine wundervolle untreue Buchhalterin, die die Bilanzen fälscht und einen guten Ausgang des Lebens behauptet, wo dieser noch nicht abzusehen ist.“.

Lassen Sie uns in diesem Heft aber nicht über gefälschte Bilanzen und die Buchhaltung der Zukunft mit ungewissem Ausgang spekulieren, sondern auf der Basis unserer Faktenbeiträge belastbare Argumente zu wichtigen Themen unserer Branche diskutieren. So befassen wir uns in der vorliegenden Ausgabe mit Fragen nach neuen Methoden und Technologien in Bibliotheken („Intelligente Bibliotheken“), der Messung des Unternehmensbeitrags von Bibliotheken zu Wissenschaft und Studium (einem thematischen Dauerbrenner) oder neuen Erfahrungen mit Diensten wie Chatbots, Weiterbildung 4.0 und Robotic Process Automation.

Genug Lese- und Gedanken-Stoff also, um sich auch in der Weihnachtszeit auf dem Laufenden zu halten, die Gedanken zu ordnen und vielleicht doch etwas Hoffnung auf ein gutes Ende zu hegen.

Im Namen des gesamten Redaktionsteams wünsche ich Ihnen ein frohes Fest, ein gutes Neues Jahr und bedanke mich für Ihre Treue zu den Library Essentials.

Herzlich

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.