,,Mobile Only" löst ,,Mobile First" ab - aber ohne Menschen ist alles nichts
Bibliotheken, Informationszentren und andere Supporteinrichtungen sind ständig auf der Suche nach neuen Geschäfts- und Tätigkeitsfeldern. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Digitalisierung unser Berufs- und Alltagswelt eine zentrale Herausforderung, da es zunehmend eine automatisierte und virtuelle Konkurrenz zu den klassischen Aufgaben gibt. Es ändern sich aber auch andere Bereiche der Welt. So nimmt die Globalisierung ständig zu und mit ihr die Frage der Mehrsprachigkeit bzw. ihrer Überwindung. Denn es entspricht nicht der Realität, dass alle internationalen Unternehmen und Institutionen ausschließlich auf Englisch kommunizieren. Zu viele regionale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten und kommunizieren bevorzugt in ihrer jeweiligen Muttersprache. Ist Englisch die einzig zugelassene Sprache, entstehen nicht selten Kommunikations- und Verständnisschwierigkeiten, denn das Sprachlevel im Englischen erreicht bei den meisten Menschen nicht Muttersprachniveau. Komplexe und komplizierte Zusammenhänge sind dann sprachlich nicht mehr zu bewältigen.
Wer jetzt abwinkt und glaubt, das Problem lasse sich durch automatisierte Übersetzungs- und Dolmetschersysteme auf Knopfdruck und in Realtime für alle Sprachen der Welt lösen, der irrt. Zu ungenau, noch nicht alltagstauglich, zu wenige verfügbare Sprachen - das sind nur einige der Probleme, die die schöne neue Welt der polyglotten Maschinen alt aussehen lassen. Ob der (tatsächlich!) gute, alte Übersetzungsdienst eine Renaissance erleben wird, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass es ein mögliches Geschäftsfeld für Bibliotheken und Informationseinrichtungen sein kann, professionelle Unterstützung anzubieten, deren Leistung - je nach Bedarf und erforderlicher Qualität gestuft - automatisiert, teilautomatisiert oder intellektuell zu erbringen ist. (Dazu unser Beitrag ,,Wie funktioniert der Wissensaustausch in mehrsprachigen Organisationen? S.???)
Denn was gut war, kommt wieder. Derzeit engagieren sich im Wissenschaftsumfeld mehrere Unternehmen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beim Publizieren unterstützen. Denn je weniger sich Verlage noch mit einem Lektorat oder anderen Formen der Unterstützung bei der Einreichung von Artikeln engagieren, desto mehr wird der Autor mit komplexen und umständlichen Verfahren im elektronischen ,,Submission System" der Verlage alleingelassen. ,,Prepublication Services" oder ,,Submission Supporting Services" sind Angebote von Firmen, die den Autor hierbei unterstützen. Ein nicht unwichtiger Teil ist dabei die Sprachoptimierung der Beiträge hauptsächlich (aber nicht nur) für Nichtmuttersprachler. Die Vermittlung und Organisation dieser Dienste könnte auch ein Zukunftsfeld für Bibliotheken werden.
Ein anderes Beispiel: Wer nach der Zukunft der Infocenter in Finanzunternehmen fragt, hat schnell die Vermutung, dass gerade hier die notwendigen Finanz- und Wirtschaftsdaten digital und damit leicht verfügbar und eine Bibliothek oder ein Infocentrum mit Informationsspezialisten nicht mehr erforderlich seien. Aber auch an diesem Beispiel zeigt sich, dass einerseits die Digitalisierung Arbeitsprozesse und Informationsströme beschleunigen und verbessern kann, am Ende aber auch hier die reine Maschinenunterstützung ohne das Zutun eines Menschen nicht ausreicht (Dazu: ,,Die Zukunft von Infocentern in Finanzunternehmen", S.???).
Das ist doch eine tröstliche Botschaft. Je mehr automatisierte und digitale Systeme zur Verfügung stehen und eingesetzt werden, desto unverzichtbarer ist der Mensch mit seiner intellektuellen und emotionalen Entscheidungskompetenz. Nur in dieser komplementären Ergänzung werden wirklich gute Ergebnisse erreicht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gelungene Umsetzung all Ihrer digitalen Projekte unter der ordnenden und entscheidenden Hand von Menschen aus Fleisch und Blut.
Herzlich
Ihr Rafael Ball