Editorial 05-2024
Datum: 31. Juli 2024
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Wir bleiben dran an den Themen!

Sie wird uns nicht mehr verlassen. Allerdings ist es weitgehend unklar, als was sie bleiben wird: als innovative IT-Methode, als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung oder als Standardsystem in allen IT-Anwendungen. Es ist die Rede von künstlicher Intelligenz (KI). Je mehr Bibliotheken ihre Sammlungen und Dienstleistungen digitalisiert verfügbar machen oder gar ganz auf „digital-onlyˮ gehen (früher nannte man das im Bereich der Inhalte e-only), umso mehr stellt sich die Frage, welchen Einfluss KI auf diese Angebote haben wird und haben soll. Viele Bibliotheken haben längst schon KI-Angebote in ihren Portfolios, etwa Text- und Dataminig, obwohl sie es zumindest zu Beginn nicht so genannt haben. Dennoch haben wir nun ein neues Level im Bereich der KI-Anwendungen erreicht. In den kommenden zehn Jahren werden sich Bibliotheken entscheiden müssen, in welchen Bereichen und zu welchen Zwecken sie KI einsetzen wollen. Denn es gibt nicht nur eine Vielzahl von möglichen Einsatzszenarien, sondern auch bereits eine ganze Reihe von einsetzbaren KI-Tools und Anwendungen. Auch in dieser Ausgabe der Library Essentials haben wir allein acht Beiträge aus den verschiedenen KI-Zusammenhängen versammelt und zeigen damit, welch gewaltiges Potenzial sich hier entfaltet. Wir bleiben auch in Zukunft „dranˮ, denn KI als Thema wird uns so schnell nicht mehr verlassen.

Auch viele weitere Themen werden im vorliegenden Heft verhandelt. So blickt vielleicht die ein oder andere Leserin beim Stichwort „Forschungsdatenmanagementˮ ein wenig hilflos in die Runde, da man dieses Thema schon lange als „erledigtˮ und in die tägliche Routine überführt wähnt. Tatsächlich steigt, wie wir im Beitrag (Suchet und Ihr werdet finden … vielleicht – Wie gut sind Forschungsdaten wirklich zugänglich?) zeigen können, das Interesse der Forschenden, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, deutlich an. Das ist einerseits sicher dem Druck der Forschungsförderer geschuldet, die meist ohne Umschweife Vorschriften erlassen, denen sich die Forschenden (überraschend klaglos) unterordnen. Es ist andererseits aber gewiss auch eine Eigenmotivation in Zeiten des Sharing-Gedankens, seine eigenen Forschungsergebnisse nicht nur im elaborierten Beitrag eines wissenschaftlichen Journals, sondern auch als Forschungs(roh)daten der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Und damit beginnt die Problematik der Forschungsdaten und ihrer Verfügbarkeit. Während für Bibliotheken seit Jahrhunderten die Auffindbarkeit (und damit die ausführliche vorgängige Erschließung) eine der zentralen Leistungen für den Zugang zu den Beständen war und ist, werden Forschungsdaten häufig noch mit marginaler Beschreibung und mickrigen Metadaten versehen auf einem Repositorium abgelegt. Es ist dann nicht verwunderlich, dass eine zunehmende Diskrepanz entsteht zwischen den Mengen der hochgeladenen Forschungsdaten und der Nachfrage bzw. Nachnutzung dieser Forschungsdaten. Denn was nicht zu finden ist, wird nicht genutzt werden. Schon kommt einen der bekannte Slogan der Datenfriedhöfe in den Sinn. Denn die Erschließung und Auffindbarkeit der Daten ist erst der erste Schritt zu einer möglichen Nachnutzung. Dass danach noch weitere Hürden zu nehmen sind, etwa die Frage nach der Beliebtheit, mit Daten anderer zu forschen, statt sie selbst zu erheben, ist eine bislang wenig diskutierte Problematik.

Auch hier bleiben wir für Sie dran und halten Sie mit internationalen Beiträgen zur Thematik auf dem Laufenden.

Herzlich
Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.