Forschungsdatenmanagement ist noch immer eine Herausforderung
Das Thema Daten und Datensicherheit erhält in (wissenschaftlichen) Bibliotheken eine immer wichtigere Bedeutung. Und das nicht nur vor dem Hintergrund der Transformation der Bibliothek von der literaturgetriebenen über die informationsgetriebene zur datengetriebenen Bibliothek. Auch neue methodische Ansätze in der Wissenschaft, in denen Daten und ihre Nachnutzung eine immer wichtigere Rolle spielen, oder die Open Science Bewegung, in der die Verfügbarkeit der wissenschaftlichen Primärdaten (Forschungsdaten) von zentraler Bedeutung sind und als Teil der wissenschaftlichen Transparenz erwartet werden, triggern die Befassung mit und das Management von Forschungsdaten in Bibliotheken.
Bibliotheken engagieren sich deshalb seit langem auf diesem Feld und haben Infrastrukturen für das Forschungsdatenmanagement geschaffen.
Sind sie zunächst noch davon ausgegangen, dass Forschungsdaten, ihre Erschließung, Kuratierung und Archivierung, ein der Literaturbeschaffung und -ausleihe vergleichbares Geschäftsfeld sein könnten, vielleicht sogar zur Substitution wegbrechender klassischer Aufgaben geeignet sind, so hat sich das Management von Forschungsdaten inzwischen zu einer recht komplexen Materie entwickelt, das mehr benötigt als ein Archivierungssystem und leistungsfähige Speicherplatten.
Es wurde nämlich schnell klar, dass ein Forschungsdatensatz, etwa aus der Biologie, etwas ganz anderes ist als ein Datensatz aus der Chemie oder aus den Ingenieurwissenschaften. Ein Biologiebuch ist eben einem Chemiebuch viel näher als ein Biologiedatensatz einem Chemiedatensatz.
Neben diesen Herausforderungen hat sich in Bibliotheken schnell gezeigt, dass es ein Spannungsfeld gibt zwischen zentraler Forschungsdateninfrastruktur mit einem zentralen Forschungsdatenmanagement und den dezentralen Prozessen und Verfahren beim Einsammeln der Daten in den Fakultäten und den unterschiedlichen Disziplinen selbst. Heute zeigt sich, dass es beides braucht: eine generalisierende, übergreifende, leistungsfähige Infrastruktur, die mehr auf Hardwaretechnologien der Informatik basiert, auf der einen, und Fachleute, die vor Ort mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der unterschiedlichen Disziplinen das Beraten, Sammeln und die Vor- und Aufbereitung der fachspezifischen Daten übernehmen, auf der anderen Seite.
Es zeigt sich schnell: Die Data Stewards, die es in einigen Universitäten und Bibliotheken bereits gibt, sind genau jene Schnittstellen-Leute, die sich einerseits mit der Dateninfrastruktur der Bibliotheken auskennen müssen, andererseits die Spezifika der wissenschaftlichen Forschungsdaten der jeweiligen Disziplin, die sie betreuen, mehr als nur oberflächlich verstehen müssen. Diese beiden Seiten bedienen zu können, ist eine gewaltige Herausforderung für das professionelle Management von Forschungsdaten.
Zusätzlich werden auf der Basis von Open Science und der erwarteten Anwendung des FAIR-Dataprinzips und vom normativen Wissenschaftsmanagement höchste Professionalität im Umgang mit Forschungsdaten erwartet. Und noch ganz zu schweigen von den vielen ethischen und rechtlichen Fragen im Umgang mit und beim Management von Forschungsdaten.
In diesem Heft haben wir einige Beiträge versammelt, die sich mit diesen Themen befassen, etwa die Studie: „Data Literacy: Daten Kompetenz – von der Hochschule in den Job“ (Seite 10) oder: „FAIRer Datenaustausch in der Wissenschaft: warum der Weg noch steinig ist“ (Seite 20).
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und gute Einsichten.
Herzlich
Ihr Rafael Ball