Editorial 07-2013
Datum: 4. Oktober 2013
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

It´s all about MOOCs!

Kennen Sie MOOCs? Nein? Dann wird es höchste Zeit, dass Sie es kennenlernen.
Denn MOOCs wird die Welt verändern, Ihre und die der Bibliotheken sowieso. MOOCs ist die Abkürzung für Massive Open Online Courses und kennzeichnet einen Trend, der bislang vornehmlich in den USA für Furore sorgt. MOOCs ist die neue Welt des Lernens, genauer des Online-Lernens. Dabei ist MOOCs nicht nur die Volkshochschule im digitalen Taschenformat, sondern ein Online-Lernen auf Hochschulniveau.

Online-Unterstützung von Bildungs- und Lernangeboten gibt es zwar schon seit einigen Jahren, aber das alles ist im Vergleich zu MOOCs nur „Beigabe“ und Ergänzung zur eigentlichen Lehr- und Lernveranstaltung. Denn neu bei MOOCs ist der Alleinanspruch als Lernkonzept. Massive Open Online Courses sind weder die Online-Versionen von Vorlesungen noch aufgezeichnete Seminarstunden. Sie sind integrierte, ganzheitliche, online angelegte Lern- und Lehrprogramme, deren Herzstück kurze, 20-minütige Video-Vorlesungen sind, eingebettet in eine umfassende Online-Lernumgebung mit den verschiedensten Online-Werkzeugen. In den USA ist das bereits ein Massen-Phänomen: Hunderte von Elite-Institutionen haben sich zusammengeschlossen und bieten für Millionen von „Online-Studierenden“ professionelle MOOCs–Angebote.

Doch gut und schön, aber was hat das alles mit Informationseinrichtungen und Bibliotheken zu tun?
In unserem aktuellen Beitrag von Kerry Wu „Academic Libraries in the age of MOOCs“ wird die ernstgemeinte Frage gestellt, ob sich Bibliotheken in MOOCiotheken wandeln werden. Und tatsächlich: Wer schon nicht mehr zur Vorlesung in die Universität und zum Seminar in den Hörsaal kommen muss, der wird schon gar nicht mehr wegen Literatur in die Bibliothek gehen. Mit MOOCs werden die Bibliotheken entweder Teil der virtuellen Lernumgebung oder sie verkümmern zur analogen Bücherstube. Zum Glück sind viele Bibliotheken schon halbe MOOCiotheken, bieten sie doch schon lange digitale Inhalte und Services an. Doch das ist erst die halbe Miete: Wer sich nicht ganz einlässt auf die neue Lernwelt und meint, es werde genügen, Medien in digitaler Form anzubieten, wird Schiffbruch erleiden. Hier ist mehr Engagement gefragt: Kooperationen mit den neuen Bildungsanbietern, eigene Plattformen zum virtuellen Lernen und professionell gemanagte virtuelle Räume als Erweitung und Ersatz der klassischen Lernräume sind Aufgaben für Bibliotheken und Bibliothekare. Und zwar nicht irgendwann in der Zukunft, sondern jetzt.

Dies gilt umso mehr, je mehr relevante Inhalte frei zur Verfügung stehen. Gerade erst hat eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie klar gemacht, dass die Hälfte der wissenschaftlichen Forschungsbeiträge im Open Access Modus frei im Netz zur Verfügung steht. (Archambault, Eric et al.: Proportion of Open Access Peer-Reviewed Papers at the European and Wolrd Levels 2004-2011, in diesem Heft). Ein gewaltiges Ergebnis, das (akademische) Bibliotheken wie Informationseinrichtungen mit ihren Diensten für Wissenschaft und Forschung nachdenklich werden lässt. MOOCs zwingt uns zu einem wirklich neuen Denken, das mit den klassischen bibliothekarischen Kategorien und Qualifikationen so gar nichts mehr gemeinsam hat. Und das Thema MOOCs ist nur
eine spannende Anregung in unserem aktuellen Heft der Library Essentials.

Herzlich

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.