Wer hat Angst vorm großen DEAL?
Die Blätter fallen, der Wind weht schärfer und auch die Frankfurter Buchmesse 2016 ist schon wieder vorbei.
Grundlegend Neues gab es auch in diesem Jahr nicht zu vermelden, vielleicht nur so viel, dass auch der Hype um die E-Books einen kleinen (Wachstums) Dämpfer erhalten zu haben scheint. Der Markt stagniert bei mageren Prozentsätzen, einen „Durchmarsch“ wie in den USA scheint es nicht zu geben, zumindest nicht auf dem deutschen Markt.
Viel spannender aber als in den Belletristikhallen der Messe sind da schon die Ereignisse im Bereich der Fachinformation. Zum einen versucht dort eine ganze Vielzahl neuer Startups ihr Glück, die alle keine klassischen Verlage mehr sind. Sie sind eher eine Mischung aus Aggregator, Internetplattform, Suchmaschine und Daten-Anreicherungssystem. Viele können gar nicht so ganz genau erklären, wo denn ihr Mehrwert liegt, was sie als Produkt anbieten und was sie besser können als die Produkte und Dienste der großen Verlage oder aber auch der Bibliotheken. Sie sind irgendwo verortet zwischen Open Access, Altmetrics, Publishing und Sharing-Plattform.
Gleichzeitig ist es spannend und ermutigend, so viel unternehmerisches Neuland, Begeisterung und Mut zu sehen, sich in einem fast schon dramatischen Umfeld zu positionieren. Denn der Markt wissenschaftlicher Publikationen ist ein vermintes Terrain, und es wird sich zeigen, welche dieser Dienste und Produkte die Community wirklich braucht, welche Initiativen und kleinen Firmen Bestand haben oder aber wieder verschwinden, vielleicht auch, weil sie vom Markt „weggekauft“ werden.
Denn am anderen Ende des (Gewinn- und Umsatz-)Spektrums stehen die großen markt-dominierenden Medienunternehmen der STM Branche. Doch auch sie stehen im Kreuzfeuer der Marktkritik, und es gibt aktuell gleich mehrere Aktionen, die Marktmacht dieser vermeintlichen Giganten zu unterminieren. Das deutsche „DEAL-Projekt“ ist eines davon; unter der Flagge der Hochschulrektorenkonferenz verhandeln dutzende Universitätsbibliotheken einen neuen „Big Deal Vertrag“ mit Elsevier und Co.
Damit die ganze Sache nicht zu übersichtlich bleibt, gibt es gleich mehrere Player aus unterschiedlichen Richtungen, die diesen „DEAL“ kritisch sehen.
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Vertreter kleiner und mittelgroßer Verlage, Buchhändler und Agenturen fürchten um ihre Margen. Denn – so ihre Angst – bei den Big Deals mit den großen Verlagen wird so viel Geld ausgegeben, dass von den ohnehin schmalen Bibliotheksetats für die Kleinen nichts mehr übrigbleibt und der Handel gleich ganz überflüssig wird.
Zum Glück sehen die Bibliotheken das ganz entspannt und völlig anders: Man werde – so ein Bibliotheksvertreter – bei „DEAL“ so hart und so erfolgreich verhandeln, dass am Ende mehr für die kleinen und mittleren Anbieter übrigbleibt als vorher.
Nun, wir freuen uns, wenn schließlich für alle mehr übrigbleibt, aber die Ergebnisse der „Big Deals“ aus anderen Ländern machen da wenig Hoffnung. Wir wollen aber nicht spekulieren, insbesondere nicht, wenn man erst am Beginn von Verhandlungen steht.
Und deshalb konzentrieren wir uns auf die Fakten, auf die Essentials nämlich, genauer, auf die Library Essentials, Nummer 8/2016, die vor Ihnen liegt.
Viel Freude an den Fakten und tiefe Einblicke beim Lesen!
Herzlich
Ihr Rafael Ball