Versinken wir in unseren Daten?
Big Data, Text- und Datamining, Datenmanagement , Forschungsprimärdaten, Datenklau: Es liesse sich beliebig fortsetzen, das Spiel mit den Daten-Wörtern und es zeigt vor allem eines: Wir sind eine Daten getriebene Welt, wir arbeiten und denken nur noch in Datendimensionen und wir bezahlen – so zumindest einige kritische Stimmen – unsere kostenlosen Internetdienste mit unseren persönlichen Daten.
Nicht mehr der Boden also, das Kapital oder das Öl sind unser Produktionsfaktoren, sondern die Daten. Das gilt auch und insbesondere für die Wissenschaft. Und was für die Wissenschaft gilt, gilt bekanntermassen auch für die (wissenschaftlichen) Bibliotheken.
Während das klassische Bestandsmanagement mit Büchern und Zeitschriften längst zum alten Eisen gehört, beginnt in Bibliotheken eine neue Form des Bestandsaufbaus: Die Datensammlung. Forschungsdaten und andere sogenannte Primärdaten sind der neue Gegenstand der Sammelleidenschaft des modernen Data Librarian geworden. Das leuchtet ein in einer Welt der digitalen Daten und elektronischen Ressourcen.
Aber erst ganz langsam beginnen sich Fragen aufzudrängen, die auch beim klassischen Buchbestand nicht wirklich beantwortet werden konnten: Die Fragen nach der Nutzung und dem Wert der Sammlungen.
Denn ganz offensichtlich werden die übernommenen und archivierten Forschungsdaten auf den Repositorien nur ganz sporadisch genutzt, viel seltener, als man sich das vorgestellt hatte. Denn noch anders als Bücher und Zeitschriften, deren Inhalte ja explizit für die Nutzung und das Lesen durch andere produziert worden sind, sind Forschungsdaten häufig rohe und nicht kontextualisierte Datensammlungen, die kaum ein anderer sinnvoll nutzen kann.
Vielleicht entspricht es aber auch nicht der Vorstellung vor originärer Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit, die Daten „Anderer“ für die eigene Forschung einzusetzen. Das könnte neben der Tatsache, dass selten eine Forschungsfrage so gestellt ist, dass vorhandene Daten diese sinnvoll beantworten, auch der Tatsache geschuldet sein, dass man als Wissenschaftlerin und Wissenschaftler einfach zu stolz ist, fremde Daten zu nutzen, statt eigene zu erheben. Wir analysieren dazu eine sehr interessante Studie in einem Fachartikel und stellen fest, dass dieses Thema uns erst wirklich zu beschäftigen beginnt.
Auch ein weiterer Bibliothekshype wird von uns näher unter die Lupe genommen: das Dauerthema Open Access und die Kosten der Publikationsgebühren beim Goldenen Weg: Eine wissenschaftliche Studie hat dabei die Kosten für Open Access Publikationen in Deutschland analysiert und herausgefunden, dass die Verteilung und Höhe der Kosten sowie die Strukturen der Verlage auch bei diesem Veröffentlichungsmodell den klassischen Subskriptionsmodellen sehr ähneln. Die Verlage können sich anpassen, denn der Kapitalismus ist eben wandlungsfähig, wie die späten Jünger Karl Marx` schon immer prognostiziert haben. Einen Ausweg aus der Kosten- und Monopolfalle bietet der Goldene Weg damit wohl eher nicht.
Sie sehen, zwei hochaktuelle Themen prägen die vorliegende Ausgabe von Library Essentials neben vielen weiteren spannenden Inhalten um Bibliotheken und das Informationsmanagement. Ich wünsche guten Input und viele Anregungen.
Herzlich
Ihr Rafael Ball