My dear, here we must run as fast as we can, just to stay in place. And if you wish to go anywhere you must run twice as fast as that.
(Alice im Wunderland)
Die digitale Disruption - facts and fiction
Die digitale Disruption trifft uns alle, liebe Leserinnen und Leser. Auch die Öffentlichen Bibliotheken - zumindest in England. Diese Aussage ist an sich noch so allgemein und banal, dass sie grundsätzlich gar nicht falsch sein kann. Die 150 Seiten starke Studie zur Situation und Zukunft der Öffentlichen Bibliotheken in England (ab Seite 15) wird aber konkreter und legt die Finger in die Wunden all derjenigen, die die digitale Disruption und ihren Einfluss auf die Bibliotheken als Erfindung von Technofreaks, Spinnern oder Kulturfeinden abgetan haben. Und so sind wir dankbar, dass die ,,Society of Chief Librarians", ,,The reading Agency" und der ,,Arts Council England" , also alles unverdächtige Kultur-, Lese-, Buch- und Bibliotheksfreunde, so deutlich werden in ihren Ausführungen und klar benennen, wo der Schuh drückt.
So ist es eine grundlegende Aussage der Studie, dass die Suche nach Büchern inzwischen offensichtlich überwiegend online erfolgt. Bereits seit 2008 ist das Buch in Grossbritannien das meistgekaufte online-Produkt. Kein Wunder also, dass die Besucherstatistiken öffentlicher Bibliotheken in den letzten zwei Jahrzehnten zurückgehende Nutzungszahlen signalisieren. Und auch die Buchentleihungen sind von 2001 bis 2014 um alarmierende 40 % zurückgegangen. Und das, obwohl die Neuanschaffungen ebenso wie die Gesamtausgaben der Bibliotheken im beobachteten Zeitraum nicht im gleichen Masse zurückgegangen sind. Auch Bibliotheks- oder Filial-Schließungen sind kaum zu verzeichnen gewesen und kommen als Grund und Erklärung nicht in Frage.
Die Autoren der Studie sind da ganz klarer Meinung: Sie sehen das ,,digitale Erdbeben" als Erklärung für das veränderte Nutzerverhalten und den Nutzungsrückgang in Öffentlichen Bibliotheken an und postulieren, dass die britischen Bibliotheken bisher noch nicht durchgängig auf den Wandel der Kommunikationskanäle in der Gesellschaft reagiert hätten.
Zum Glück sind die Kollegen von der ,,Society of Chief Librarians", der "Reading Agency" und des ,,Arts Council England" praktische Menschen und nicht nur Kassandra-Rufer: Sie schlagen zur Lösung des Problems eine landesweite digitale Plattform zur Koproduktion von Produkten und Dienstleistungen und zur Kooperation aller Öffentlichen Bibliotheken, ihrer Geschäftspartner, aber auch anderer administrativer stakeholder wie Behörden und Initiativen vor.
Hört sich doch gar nicht schlecht an, oder? Das Ganze hat nur einen Haken: Es setzt voraus, dass man die Realitäten der digitalen Disruption und ihre Folgen auf die Bibliotheken anerkennt. Aber solange das nur eine unbewiesene Behauptung von Technofreaks und Kulturfeinden ist, schildert diese Studie im besten Falle ,,Englische Verhältnisse" und ist nicht im Geringsten übertragbar auf unseren guten alten Kontinent ....
Aber lesen und denken Sie selbst!
Herzlich
Ihr Rafael Ball