Editorial 05-2023
Datum: 31. Juli 2023
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Der Digital Divide wird größer: Was ist die Rolle der Bibliotheken?

In seiner neuesten repräsentativen Studie hat der Verband BITKom herausgefunden, dass sich die digitale Kluft in Deutschland verstärkt hat (Sonnenholzner, Kathrin; Berg, Achim; Brandl, Uwe, Digitaltag 2023 (Hrsg.): „Digitalisierung: Entdecken. Verstehen. Gestalten.“; Juni 2023, https://digitaltag.eu/sites/default/files/2023-06/230615prasentationpressekonferenzstudienergebnisse.pdf).

Dieses Ergebnis ist deshalb bedeutend, weil gleichzeitig eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung in der Digitalisierung große Chancen sieht.

Tatsächlich jedoch geht der Riss in der digitalen Gesellschaft nicht nur durch die verschiedenen Altersgruppen, was als Ergebnis vielleicht noch eher zu erwarten gewesen ist. Die überwiegende Mehrheit sieht eine solche Spaltung in Deutschland, die sich daran festmacht, dass etwa die öffentliche Verwaltung bei der Digitalisierung zu langsam voranschreitet oder vielen Menschen die Digitalkompetenzen fehlten.

Viele wünschen sich laut dieser Umfrage mehr Medienkompetenz und bessere Informationen zum Thema Cybersicherheit sowie entsprechende Methodenkompetenzen.

Es zeigt sich also, dass es einerseits einen großen (Aufklärungs-)Bedarf gibt, wie digitale Angebote angemessen zu nutzen und zu bewerten sind, andererseits ein Unterstützungsbedarf besteht, um sich im digitalen Umfeld sicher zu fühlen.

Zudem sinkt gleichzeitig das Vertrauen der Menschen in digitale Nachrichten (3.2 Nachrichten: sinkendes Interesse, geringeres Vertrauen, S. 22)

Schulen und Hochschulen vermitteln offensichtlich diese Digitalkompetenzen immer noch zu wenig. Denn es scheint heute noch wichtiger zu sein einerseits zu erklären, wie digitale Medien funktionieren (und das im multiplen Sinne der Funktion) und ihren Status zu erklären, aber gleichzeitig auch gewappnet zu sein gegen digitalen Missbrauch, Betrug und Ideologisierung.

Hier kommen Bibliotheken ins Spiel. Die Vermittlung von Fähigkeiten, Medien kompetent nutzen und einordnen zu können hinsichtlich ihrer Qualität, Herkunft (Quelle) und ihres Wahrheitsgehaltes waren schon in der vordigitalen Zeit relevante Handlungs- und Vermittlungsfelder für Bibliotheken aller Art.

Und sie können auch heute wieder ihren Beitrag leisten zur Überwindung der digitalen Kluft in der Gesellschaft.

Herzlich
Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.