Editorial 04-2023
Datum: 24. Juni 2023
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Discovery-Systeme, Metadaten und die gute alte Katalogisierung

Im Editorial der ersten Ausgabe 2023 der Library Essentials habe ich darauf hingewiesen, warum es so wichtig ist, dass sich Autoren, Verlage und Bibliotheken darum bemühen, die Eindeutigkeit des Dokuments zu garantieren. Und dies nicht etwa, weil es bibliothekarischen Prinzipien entspricht, genau zu sein, sondern um der Inhalte, der Auffindbarkeit und der sorgfältigen Archivierung wegen. Nur wenn klar ist, um welches Dokument es sich handelt, können diejenigen, die die Inhalte erneut verwenden möchten, sicher sein, dass es sich um den gesuchten, eindeutig zuzuordnenden Inhalt handelt. Wer es mit der Eindeutigkeit des Dokuments zu locker angeht, wer unzählige Versionen in den Verkehr bringt, Preprints- und Postprints als identisch definiert, öffnet zumindest Verwirrung und Fehlern, nicht selten aber auch Betrug Tür und Tor.

Im heutigen Editorial spinnen wir den Faden fort. Wie sind die gesuchten (und nur die gesuchten, nicht etwas alle «irgendwie ähnlichen») Dokumente im Katalog der Bibliothek zu finden? Wer jetzt einwirft, dass es die Katalogsuche praktisch gar nicht mehr brauche, hat vollkommen recht, aber die Öffnung der Datenbestände der Bibliotheken in die allgemeinen Suchsysteme wie Google setzt dennoch voraus, dass die archivierten Inhalte klar und eindeutig erfasst und gekennzeichnet sind.

Das Wort «Katalogisierung» mag vielen heute antiquiert erscheinen und manche Bibliothek hat aus falscher Scham oder aus taktischer Berechnung dieses Wort samt Organisationsbereich aus ihrem Vokabular und dem Organigramm gestrichen und durch Begriffe wie Metadatenmanagement ersetzt. Doch in der Sache geht es stets um das gleiche und zwar um die klare und saubere Kennzeichnung einerseits und infolge dessen um die eindeutige Identifizierbarkeit andererseits. Denn nur wer seine Inhalte sauber ablegt und eindeutig katalogisiert, stellt sicher, dass der Nutzer bei der Suche den Inhalt und genau diese Version findet, die er braucht. Gerade in der Wissenschaft ist es mit einem «annähernd« nicht getan. Die Fehler in bibliothekarischen Suchsystemen basieren nur zu oft auf der schlechten Qualität der Metadaten.

Die Qualität der Metadaten ist aber die zentrale Voraussetzung für die Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit der Inhalte und Dokumente, die Bibliotheken ihren Benutzerinnen heute und auch morgen noch bieten können. Dabei geraten Bibliotheken immer wieder in den Verdacht, Formalisten zu sein, da man sie besonders bei der Lieferung von sogenannten «Fremddaten», meist von den Verlagen, oft mit schlechter Metadatenqualität abspeisen will (Zmau, Ashley; Talbott, Holly: „The Current Landscape of Electronic Resources Access Issues”; in: Library Technology Reports, 2022, Vol. 58, No. 7 – October 2022, https://doi.org/10.5860/ltr.58n7)

Hier kommen wir wieder zum Anfang unseres Editorials: Nur wer für Integrität, Eindeutigkeit und Nachvollziehbarkeit von Dokumenten sorgt und deren Metadaten genauso sorgsam behandelt, kann sicherstellen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich auf das, was sie und andere produzieren und bei Verlagen publizieren, auch in Zukunft für sie in Bibliotheken verfügbar gehalten wird und eindeutig auffindbar bleibt.

Herzlich
Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.