Und immer wieder Open Access
Viele Jahrzehnte schon ist die Open-Access-Bewegung alt und – so scheint es – sie ist längst dem Stadium des Protests und des Experimentellen entwachsen. Tatsächlich muss man heute keine Diskussion mehr darüber führen, dass es wichtig ist, Forschungsergebnisse frei zur Verfügung zu stellen und zugänglich zu machen. Längst werden dazu sogenannte Transformational Agreements mit den großen Verlagen geschlossen, die den Übergang von einer lizenzfinanzierten Paywall vor den Inhalten durch eine APC-finanzierte Paywall für das Publizieren ersetzen. Ob diese Transformation für die Öffentliche Hand und die Forschungscommunity billiger wird, ist noch nicht ausgemacht, ist aber auch nicht das entscheidende Argument für den freien Zugang zu den Inhalten via Open Access.
So weit so gut und in der Tat ist das Thema lange aus dem Projektstadium herausgetreten und Teil des normalen Bibliotheksgeschäfts geworden.
Aber es gibt dennoch eine Reihe unklarer oder noch nicht gelöster Fragen rund um die Transformation und Open Access. Vor allem in den Bereichen der Geistes- und Sozialwissenschaften ist die Monografie nach wie vor ein zentrales Format für die Verbreitung des Wissens dieser Disziplinen. Ob es sich dabei um ein gedrucktes Buch oder um ein E-Book handelt, ist eher zweitrangig. Weitaus wichtiger werden Fragestellungen rund um das Thema der freien Zugänglichkeit dieser Werke im Sinne des Open-Access-Paradigmas, das sich nicht nur die Hochschulleitungen auf die Fahnen geschrieben haben, sondern das sich zunehmend in normativer Diktion als unverhandelbare Voraussetzung für die Förderung von Forschungsprojekten durch die Drittmittelgeber durchgesetzt hat. Damit kommen alle jene Forscherinnen und Forscher in Schwierigkeiten, deren Verbreitungsmodell ein gedrucktes Buch vorsieht, das nun einmal nicht als freies OA-Dokument angeboten werden und damit die Vorgaben der Forschungsförderer nicht erfüllen kann.
Tatsächlich jedoch deuten Untersuchungen darauf hin, dass auch in den klassischen, Buch-affinen Disziplinen besonders die Early Career Researcher den Weg zur digitalen Publikation im kleinteiligen Format der Zeitschriftenaufsätze finden und damit den Druck der OA-Forderungen, der auf diesen Fächern lastet, deutlich reduzieren helfen. (Shaw, Philip; Phillips, Angus; Gutiérrez, Maria Bajo: „The Future of the Monograph in the Arts, Humanities and Social Sciences: Publisher Perspectives on a Transitioning Format”; in: Publishing Research Quarterly, 2023, Vol. 39, No. 1, 69-84)
Es scheint also, dass die Zeit und die akademische Entwicklung für eine Open-Access-Mentalität auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften läuft und das Problem entschärfen.
Gänzlich auflösen wird sich das Problem freilich nicht und das ist auch gut so, denn Wissenschaft ist nun einmal charakterisiert durch eine permanente Reflexion und Diskussion des eigenen Tuns und dazu gehört auch die Publikationsstrategie.
Herzlich
Ihr Rafael Ball