Wie gesund ist das Internet?
Datum: 25. April 2018
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Für viele Menschen und Unternehmen ist heute das Leben ohne Internet kaum mehr vorstellbar. Das Internet ist gleichzeitig Auslöser und Treiber für den digitalen Wandel. In den letzten Jahren haben aber negative Entwicklungen wie Fake News, Online-Betrug, Beleidigungen, Identitätsdiebstahl oder die zahlreichen Datenskandale Zweifel gesät, ob das Netz noch ausreichend vertrauenswürdig ist. Die Mozilla Stiftung, die u. a. die Entwicklung des weitverbreiteten Firefox-Webbrowser unterstützt und finanziert, hat aktuell einen Bericht zum Gesundheitszustand des Internets veröffentlicht. Im Fokus stehen dabei fünf Themen: Datenschutz und Sicherheit, Offenheit, digitale Teilhabe, Web-Kenntnisse und Dezentralisierung.

Folgende Aussagen enthält dieser Bericht u. a.:

  • Ein positiver Trend – ja, den gibt es auch – ist die zunehmende Verschlüsselung von Webseiten. HTTPS, also verschlüsselte Webseiten werden immer mehr zum Standard. Dazu tragen nicht nur Web-Browser wie Firefox und Chrome bei, die in ihren neuesten Versionen die User sehr deutlich auf unverschlüsselte Seiten hinweisen. Inzwischen gibt es zahlreiche Projekte, die sich der Verschlüsselung des Internets verschrieben haben. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa die Non-Profit-Initiative Let's Encrypt, die kostenfreie und einfach zu installierende SSL-Zertifikate anbietet. Das erst im Dezember 2015 lancierte Projekt hat in weniger als zwei Jahren schon mehr 100 Mio. Zertifikate ausgestellt. Dies spiegelt sich auch in den von den Firefox-Browsern gesammelten Daten zu verschlüsselten Seiten. Demnach ist fast 70 % des gesamten Datenverkehrs heute verschlüsselt.

  • Ein großes Problem für die Datensicherheit stellt das Internet der Dinge (IdD) dar. So müsste sichergestellt werden, dass kontinuierliche und automatische Software-Updates verfügbar sind. Gerade für kleinere Unternehmen, die kostengünstige Hardware für das Internet der Dinge anbieten, ist das aber kaum zu bewerkstelligen. Hier stellen sich auch rechtliche Fragen. Wer ist rechtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn es zu erfolgreichen Cyberangriffen kommt? Ganz allgemein wächst das IdD schneller als prognostiziert. Nötig sind daher entsprechende Standards, Verhaltensregeln und auch Regulierungsmaßnahmen, die größtenteils noch fehlen.

  • Passend zum Facebook-Datenskandal wird die mangelnde Transparenz der Technologie- und Telekommunikationsunternehmen im Umgang mit den persönlichen Daten ihrer User beklagt. Selbst für Experten ist nicht klar, was mit diesen Daten genau geschieht.

  • Aber auch die User selbst können etwas mehr für die Sicherheit ihrer Daten tun. Immer noch gibt es millionenfach Internetnutzer, die ihre Accounts mit Passwörtern wie "123456" vermeintlich geschützt haben. Neben diesen einfach zu erratenden Passwörtern werden auch Passwörter mit zu wenig Zeichen verwendet. Im Durchschnitt besteht ein Passwort aus maximal 8 Zeichen. Brute-Force-Attacken brauchen nur wenige Minuten, um so kurze Passwörter zu entschlüsseln.

  • Ein Aspekt, der bei der Diskussion um das Internet gerne vergessen wird, ist die Offenheit dieses Systems. Grundsätzlich ist es jeden Menschen möglich sich an dem Internet zu beteiligen und selbst Inhalte zu erstellen. Etwas, das klassische Medien z. B. nicht in der Lage sind zu leisten. Der Missbrauch dieser Offenheit ist aber zugleich auch die größte Schwäche des Internets, er stellt eine akute Bedrohung für ein weiterhin offenes Internet dar. Immer mehr Politiker wollen das Internet regulieren, um angeblich Cyberattacken und Des- und Falschinformationen zu bekämpfen. In Wirklichkeit wird unter diesem Deckmantel aber von verschiedenen Ländern und Regierungen versucht, die Meinungsfreiheit einzuschränken oder Zensur auszuüben. Die Nichtregierungsorganisation Freedom House beobachtet in diesem Zusammenhang bereits seit sieben Jahren eine schleichende und zunehmende Begrenzung der Internetfreiheit. Besonders Messenger-Dienste und soziale Medien werden blockiert und gedrosselt, da diese häufig von den Usern zur Erstellung eigener Mitteilungen genutzt werden.

  • Die Öffnung von Verwaltungsdaten, d. h. Open Data, ist in vielen Ländern immer noch nicht sonderlich weit vorangeschritten. So sind laut einer Untersuchung im Rahmen des Open-Data-Barometers nur gerade 7 % der untersuchten Datensätze aus 115 Ländern wirklich gänzlich "offen".

  • Ein wichtiger Aspekt der "Internetgesundheit" ist die Frage, wer es kontrolliert. Von der ursprünglichen Idee eines Internets, das allen gehört, haben wir uns schon ein gutes Stück entfernt. Heute bestimmen die mit dem Kürzel FAMGA bezeichneten großen fünf US-Technologieunternehmen, d. h. Facebook, Apple, Microsoft, Google und Amazon, wie das Internet größtenteils global erlebt wird (Ausnahme: China). Immer heftiger werden die Diskussionen und der Kampf um die Netzneutralität. Ob die Zerschlagung dieser Konzerne diese Probleme löst, ist zweifelhaft.

Der Bericht der Mozilla-Stiftung veranschaulicht, dass bei der Internetgesundheit einiges im Argen liegt. Es gibt Entwicklungen wie die immer größer werdende Macht der führenden Technologieunternehmen, die sehr kritisch für die zukünftige Evolution des Internet sein können. Auch ist es höchste Zeit, die gravierenden Sicherheitsprobleme des Internets der Dinge stärker zu thematisieren. Genau wie die immer häufigeren Versuche der Politik, das Internet mittels gesetzlicher Keulen zu regulieren. Gleichzeitig ist auch nicht alles schlecht. So hat sich die Internetinfrastruktur in den letzten Jahren für viele, wenn auch nicht alle, deutlich verbessert. Auch die Anstrengungen verschiedener Gruppen, das abhörsichere Kommunikationsprotokoll HTTPS als Standard durchzusetzen, trägt sichtbare Früchte. Und auch Open Data verspricht einiges für die Zukunft, selbst wenn in den meisten Ländern noch viel getan werden muss, bis ein Großteil der öffentlichen Verwaltungsdaten frei erhältlich und nutzbar sind. Eine wichtige Feststellung dieses Berichts ist auch, dass das Internet nicht mehr nur technische Fragen oder Probleme beinhaltet. Immer offensichtlicher werden auch mögliche gesellschaftliche Auswirkungen durch das Internet. Damit sind nicht nur mögliche Wahlmanipulationen gemeint, die einige Beobachter schon als eine schwerwiegende Gefährdung für Demokratien einstufen. Aber auch jeder Einzelne kann etwas für ein "gesünderes" Internet beitragen. Zu nennen sind die Nutzung von starken Passwörtern oder Zwei-Faktor-Authentifizierung, das regelmäßige und umgehende Einspielen von Sicherheitsupdates für Software auf den eigenen Rechner sowie die Nutzung der richtigen Privatsphäre-Einstellungen für Facebook und Co.

Quelle:
Mozilla Stiftung (Hrsg.): "Der Statusbericht zur Internetgesundheit 2018", April 2018, online abrufbar unter https://internethealthreport.org/2018/?lang=de

Schlagwörter:
Datenschutz, Internet, Netzneutralität, Offenheit, soziale Medien, Zensur

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