Welchen Wert Bibliotheken für die amerikanische Bevölkerung haben
Datum: 12. Januar 2014
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Im Gegensatz zu der obigen Studie über die Öffentlichen Bibliothek von Toronto, die den Schwerpunkt mehr auf die ökonomischen Wertbestimmung gelegt hat, hat die unabhängige Internetforschungsorganisation Pew Internet untersucht welchen persönlichen und gesellschaftlichen Wert die US-amerikanischen öffentlichen Bibliotheken heute für die Einwohner der USA besitzen. Für diese Studie wurden gesamthaft 6.224 US-Amerikaner älter als 15 Jahre mittels einer Telefonumfrage befragt.

Die Befragung beinhaltet u.a. folgende wichtige Ergebnisse:

  • Über 90% der befragten Personen sind der Meinung, dass die Schließung ihrer lokalen öffentlichen Bibliothek einen Einfluss auf ihre Kommune hätte, wobei 63% sagen, dass dies sogar große Auswirkungen auf ihre Gemeinde hätte.
  • Bezogen auf ihr eigenes Leben sagen zwei Drittel, dass die Schließung ihrer Bibliothek sie persönlich und ihre Familien beeinträchtigen würden, wovon 29% sogar von einer großen Auswirkung sprechen.
  • 95% der Umfrageteilnehmer sind zudem der Meinung, dass die von öffentlichen Bibliotheken angebotenen Materialien und Informationsquellen eine wichtige Rolle im Leben eines Menschen spielen, um im Leben erfolgreich zu sein.
  • Ebenso 95% sagen, dass öffentliche Bibliotheken wichtig sind, weil sie die Lese- und Schreibfähigkeiten der Bevölkerung fördern.
  • 94% sagen, dass öffentlichen Bibliotheken allgemein für eine bessere Lebensqualität in ihrer Gemeinde sorgen.
  • 81% der Studienteilnehmer sind der Meinung, dass öffentliche Bibliotheken Dienste anbieten, die ansonsten nur schwer erhältlich oder zugänglich wären.
  • 54% der US-Amerikaner haben im Jahr 2013 mindestens einmal eine öffentliche Bibliothek genutzt.
  • 72% leben in einem "Bibliothekshaushalt".
  • Gerade einmal 34% der US-Amerikaner sagen, dass die Bibliotheken mit dem technologischen Wandel gut Schritt gehalten haben. 55% sehen dies eher nicht so.
  • 52% der US-Amerikaner sind dabei der Meinung, dass die Bibliotheken heute nicht mehr so benötigt werden, wie es früher der Fall war. Schließlich können sie heute die meisten der benötigten Informationen selber finden. 46% können sich dieser Aussagen aber nicht anschließen.
  • Nicht alle von einer Bibliothek angebotenen Dienste werden als gleich wichtig von den Benutzern eingestuft. Als wichtigstes Nutzungsangebot werden von 80% (54% sagen "sehr wichtig" und 27% "einigermaßen wichtig") Bücher und Medien genannt. Dahinter folgen die Hilfe durch Bibliothekare mit 76% (44% sehr wichtig, 32% halbwegs wichtig), einen ruhigen und sicheren Ort zu haben mit 75% (51% sehr wichtig, 24% wichtig) sowie Informationsquellen zum Recherchieren mit 72% (47% sehr wichtig, 25% wichtig). Am wenigsten wichtig die Möglichkeit "Hilfe finden, um sich für einen Job zu bewerben" mit 51% (30% sehr wichtig, 21% etwas wichtig) beurteilt.
  • Erwachsene Benutzer im Alter von 30 bis 64 Jahren sagen mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als jüngere oder ältere Antwortenden, dass ihnen diese Bibliotheksdienstleistungen "sehr wichtig" sind.
  • Besonders wertvoll werden Bibliotheken von Personen geschätzt, die arbeitslos, pensioniert, auf Jobsuche sind, eine Behinderung haben sowie über keinen Internetzugang zu Hause verfügen.
  • 91% der Befragten wissen, wo sich die geographisch zu ihrem zu Hause gelegene nächste öffentliche Bibliothek befindet.
  • 93% finden es unkompliziert, eine Bibliothek persönlich zu besuchen, falls sie es wollten. 62% sagen  sogar ein Besuch sei "sehr einfach" zu bewerkstelligen.
  • Ebenfalls unkompliziert stellt sich der Besuch der Homepage ihrer Bibliothek für die Mehrheit der Benutzer dar (82% sagen dies, wobei 47% es als sehr einfach empfinden).
  • 91% derjenigen US-Amerikaner, die jemals eine öffentliche Bibliothek benutzt haben, sagen, dass es nicht schwierig sei, in der Bibliothek zu finden, was sie suchen. 35% davon sind der Meinung, dass dies sogar sehr einfach für sie möglich ist.
  • Allerdings wissen die Benutzer mehrheitlich nicht genau, welche verschiedenen Dienstleistungen ihre Bibliothek anbietet. Nur 23% sind der Meinung, alle oder die meisten zu kennen, 47% kennen einige Dienste, 20% kennen nur wenige Angebote und 10% sagen, dass sie überhaupt keine Dienste ihrer Bibliothek kennen.
  • Die meisten Amerikaner, die jemals eine Bibliothek besucht haben, haben mehrheitlich einen positiven Eindruck von der Informationseinrichtung und ihren Mitarbeitern gehabt. So haben 94% angegeben, dass basierend auf ihren eigenen Erfahrungen öffentliche Bibliotheken für sie einladende und freundliche Orte sind.

Die vorliegenden Studienergebnisse von Pew Internet sind teilweise zwiespältig. Einerseits verdeutlichen sie, welchen hohen Wert, und auch Wertschätzung, ein Großteil der Bevölkerung weiterhin für solche Institutionen besitzt. So anerkennen sie die erbrachten Leistungen der Bibliotheken, wie den Zugang zu Materialien und Informationsquellen, die Förderung der Lese- und Schreibfähigkeiten und die allgemeine Verbesserung der Lebensqualität. Auf der anderen Seite ist aber inzwischen eine Mehrheit der Meinung, dass sie eigentlich Bibliotheken nicht mehr benötigen, da sie vermeintlich in der Lage sind, sich selbst alle benötigten Informationen online beschaffen zu können. Gleichgültig, ob dies der Realität entspricht oder nicht, es zeigt einen langsam sich verändernden Prozess beim Informationsverhalten in der Bevölkerung auf. Wenn es Informationseinrichtungen nicht gelingt, diesen Trend zu stoppen, dürfte dies früher oder später auch negative Auswirkungen auf die Besucherzahlen haben.

Quelle:

Zickuhr, Kathryn; Rainie, Lee; Purcell, Kristen; Duggan, Maeve: "How Americans Value Public Libraries in Their Communities", Dezember 2013, online abrufbar unter http://libraries.pewinternet.org/2013/12/11/libraries-in-communities/

 

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