Studien zur Nutzung von M-Commerce und Webshops in Deutschland
Datum: 17. April 2016
Autor: Erwin König
Kategorien: Studien

Das mobile Internet hat sich dank mobilen Endgeräten wie Smartphones, Tablets, Wearables etc. längst in der breiten Bevölkerung durchgesetzt. Wie entwickelt sich aber M-Commerce, d.h. das Einkaufen mittels dieser mobilen Endgeräte? Im Rahmen des diesjährigen Internet World Kongress 2016 wurden bei einem Vortrag die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Fittkau & Maaß Consulting vorgestellt. Zusätzlich wurden auf der Internet World auch noch eine weitere Studie von Fittkau & Maaß präsentiert, die sich mit Webshops beschäftigen, die Kunden zu begeistern wissen. Beide Studien zeigen aktuelle Trends auf, wie Webseiten bzw. Apps aus Sicht der User funktionieren sollten.

Zuerst zur M-Commerce-Studie. Für diese Untersuchung wurden im Zeitraum Oktober/November 2015 mehr als 60.000 deutsche Internet-User befragt. Unter diesen Nutzern finden sich 20.000 Smartphone- und 18.000 Tablet-Besitzer. Die befragten Personen sind nach Angaben der Studienersteller internet-repräsentativ nach Alter, Geschlecht und Bundesland ausgewählt worden. Dabei haben sich u.a. folgende Resultate ergeben:

  • Unter den deutschen Internet-Nutzern besitzen inzwischen 79,6 % ein Smartphone (Stand: Herbst 2015). Dies ist ein fast genauso hoher Anteil wie der der Laptop-Besitzer (80,8 %). Im Herbst 2009 lag der Anteil der Smartphone-Besitzer erst bei 17,4 %. Ein ähnlich dynamisches Wachstum findet sich bei den Tablets. Im Herbst 2010 hatten erst 3,6 % der Onliner einen Tablet-Rechner, während 5 Jahr später dieser Anteil bereits auf 48,7 % zugelegt hat. Der stationäre Computer verliert weiterhin an Marktanteilen. Nur mehr 60,1 % der deutschen Onliner besitzen im Herbst 2015 einen PC. Zum Vergleich, im Herbst 2009 lag dieser Wert noch bei 74,9 %.

  • Der durchschnittliche Internetuser besitzt inzwischen 3 Online-Zugangsgeräte, mit denen er/sie ins Internet gehen kann.

  • Bezogen auf Online-Produktinformationen werden mobile Endgeräte eingesetzt, um Infos über Produkte und Preise abzurufen (Smartphone-Nutzer: 32,3 %; Tablet-User: 42,0 %), zum Entdecken von Angeboten (Smartphone-Nutzer: 25,6 %; Tablets: 36,9 %), Produktbewertungen anderer User lesen (Smartphones: 17,3 %; Tablets: 25,7 %) sowie eigene Produktbewertungen abgeben (Smartphones: 4,0 %; Tablets: 5,4 %). Auffällig ist, dass die Tablets bei allen diesen Aktivitäten einen höheren Anteil unter den Nutzern aufweisen als die Smartphones.

  • In einer Offline-Situation bzw. in Ladengeschäften werden Smartphones von 9,5 % der Nutzer verwendet, um Preise in den Geschäften zu vergleichen. 6,8 % der Smartphone-User nutzen es, um in Geschäften Produktinfos und/oder -bewertungen zu lesen, 5,4 % scannen damit einen Strichcode/Balkencode eines Produkts ein und 4,8 % einen QR-Code.

  • Außerhalb der eigenen vier Wände werden Smartphones hauptsächlich zur Kommunikation eingesetzt, d.h. Messenger-Dienste nutzen (50,1 %), E-Mails lesen/schreiben (45,7 %) sowie für soziale Netzwerke (29,7 %). 36,3 % nutzen ihr Smartphone unterwegs, um aktuelle Nachrichten und Artikel lesen.

  • 50 % der Einkäufe per Smartphone werden zuhause durchgeführt. 3 % kauften am Tag der Umfrage mobil/unterwegs mit ihrem Smartphone ein.

  • Dem Webshop kommt auch beim mobilen Einkaufen eine wichtige Rolle zu. 38,5 % der Umfrageteilnehmer haben angegeben, dass ein Webshop auch mobil gut nutzbar sein sollte.

  • Vergleicht man die Nutzung von einzelnen großen Webshops nach der Geräteart, fallen deutliche Unterschiede auf. Bei H&M nutzen dafür 30,8 % ein Smartphone, 26,7 % ein Tablet und 79,5 % einen PC/Laptop. Bei ebay sind es 27,2 % Smartphones, 22,0 % Tablets und 91,6 % PC/Laptop. Bei Amazon sieht die Verteilung mit 23,3 % Smartphones, 25,1 % Tablets und 94,6 % PC/Laptop wieder etwas anders aus. Deutlich geringer ist die mobile Nutzung etwa bei Conrad Electronic mit 6,7 % Smartphone-Nutzern, 13,9 % Tablets und 97,1 % Nutzung mittels PC/Laptop. Grundsätzlich werden die meisten Einkäufe weiterhin mit PC/Laptop durchgeführt. Laut Fittkau & Maaß ist die Nutzung von Smartphones und Tablets zum Einkaufen oder Buchen seit 2012 nur moderat angestiegen.

  • Es gibt bei der Verwendung von mobilen Endgeräten zum Online-Shopping eine deutliche Alterskluft. Besonders in der Generation der über 50-Jährigen ist der Nutzungsgrad deutlich niedriger.

  • Kaum Unterschiede gibt es zwischen Tablet- und Smartphone-Einkäufern, wenn man die Häufigkeit der Einkäufe betrachtet. Der höchste Anteil bei der Einkaufhäufigkeit findet sich in der Gruppe derjenigen, die 2- bis 5-Mal in den letzten 6 Monaten mit diesen Geräten eingekauft haben (Smartphone-Einkäufer: 32,8 %; Tablet-Einkäufer: 33,33 %). Zum Vergleich: Bei denjenigen, die mehr als 20-Mal in dem letzten halben Jahr mobil eingekauft haben, liegen diese Werte für das Smartphone bei 13,9 % und bei dem Tablet bei 15,5 %.

  • Bei der Frage, welche Produkte beim letzten Einkauf erworben wurden, sagen 13,8 % Kleidung, 8,8 % ein (gedrucktes) Buch und 4,6 % ein Haushaltsgerät. Bei erworbenen Dienstleistungen sagen 10,0 % ein Bahn-/Fahrticket, 5,0 % ein Flugticket und 4,1 % ein Hotelzimmer. Bei den digitalen Produkten wurde am häufigsten mit 2,0 % ein E-Book genannt, vor Musik (Download oder Streaming) mit 0,8 % und dem Kauf einer App mit 0,7 %. Online-Zeitungen, -Zeitschriften und -Artikel kommen auf 0,2 %. Interessant ist, dass sich die TOP 10 der zuletzt getätigten Online-Einkäufe anteilsmäßig nach Käufern und eingesetzten Endgerät (PC/Laptop, Tablet, Smartphone) relativ ähnlich verteilt darstellen. Die Käufer bevorzugen also keine Produkte, nur weil sie verschiedene Endgeräte für den Kauf einsetzen. Die Darstellung der Produkte wird relativ gleichförmig von den Nutzern wahrgenommen, unabhängig von der Größe des eingesetzten Bildschirms.

  • Bei Smartphones scheint der Impuls für einen Spontan-Kauf etwas größer zu sein, als bei den Käufern, die ein Tablet oder einen PC/Laptop einsetzen. 29,5 % der Smartphone-Käufer geben an, vor einem Kauf sich nicht vorher informiert zu haben. Bei den Tablet-Käufern liegt dieser Anteil bei 19,3 % ähnlich niedrig wie bei den PC-Laptop-Käufern mit 19,6 %.

  • Die TOP 3-Gründe für einen zuletzt getätigten Online-Kauf unterscheiden sich zwar in der Rangfolge, sind aber sonst für alle drei Gerätekäufer-Typen gleich. Es sind dies "günstiger Preis" (Nr. 1 bei PC/Laptop-Käufern), "Gewohnheit" (jeweils Nr. 1 bei Tablet- und Smartphone-Käufern) sowie "am schnellsten, bequemsten".

  • Bei einem Einkauf mittels PC/Laptop und Tablet sind die Ausgaben für den zuletzt Online getätigten Kauf signifikant höher als bei einem Kauf über ein Smartphone. Online-Käufe per Smartphones unterscheiden sich von den anderen Gerätetypen auch bezüglich der bevorzugten Zahlungsweisen. Smartphone-User nutzen mit 30,6 % besonders oft die Möglichkeit zum Kauf mittels Bankeinzug/Lastschrift. PC/Laptop- und Tablet-Käufer setzen häufiger auf Kreditkarte und PayPal.

  • Es gibt eine große Mehrheit von Online-Käufern, die zufrieden sind mit dem Bestell- und Buchungsprozess (über 90 % für alle drei Gerätearten) sowie auch mit dem Einkaufs- und Buchungserlebnis (Tablet- und Smartphone-Käufer deutlich über 80 % Zustimmung zu dieser Aussage). Hier sollte man aber ein paar große Fragezeichen hinter den Resultaten machen. Andere Studien haben nämlich ergeben (siehe z.B. http://connexity.com/wp-content/uploads/2015/07/Connexity_Infografik_Kaufabbrecher.pdf oder http://www.ibusiness.de/aktuell/db/945299veg.html), dass ein hoher Prozentsatz an Online-Käufen von den Usern aufgrund unklarer Abwicklung abgebrochen wird.

  • Mehr als die Hälfte (52,0 %) bevorzugen für einen Online-Kauf spezielle Apps des Webshops. 35,7 setzen eher auf den installierten mobilen Browser ihres Smartphones. 12,2 % haben keine spezielle Präferenz bei dieser Frage.

  • Gegen Mobile Payment, d.h. das Bezahlen mittels Smartphone in einem Präsenz-Einkaufsladen, sprechen einmal die vorhandene Zufriedenheit mit dem bisherigen Bezahlmethode sowie Sicherheitsbedenken und Datenschutzgründe.

Für die Studie zur Attraktivität von Webshops wurden 2.896 Internet-Nutzer in Deutschland befragt. Hierbei ergaben sich u.a. folgende interessant Aussagen und Resultate:

  • Wichtig für ein positives Online-Einkaufserlebnis sind für 86 %, dass der Shop schnell und einfach zu bedienen ist, preisgünstige Produkte anbietet (79 %), über ein breites Produktangebot (78 %) verfügt, einen guten Service anbietet (73 %) sowie ein angenehmes, besonderes Einkaufserlebnis anbietet.

  • Geschlechterspezifische Unterschiede gibt es bei dem Aspekt der Customer Experience, wo besonders weibliche Kunden sich ein solches wünschen.

  • Sehr wichtig für die Kundenbindung ist eine schnelle Auffindmöglichkeit der Produkte (83 % der Umfrageteilnehmer sagen dies). Genau gleich viele (83 %) nennen als weitere wichtige Eigenschaft, die sie von einem Webshop erwarten, einen schnellen und unkomplizierten Bestellvorgang.

  • Gerne von den Kunden gesehen, werden auch gute Versand- und Retourenkonditionen (79 % sind dieser Meinung).

  • 39 % sehen auch die mobile Nutzbarkeit des Webshops für einen wiederholten Einkauf als ein gutes Kundenbindungsargument.

  • Weibliche und junge Kunden gelten laut dieser Untersuchung als besonders anspruchsvoll.

  • Für 61 % ist der Kundenservice ein wichtiger Faktor, wenn es um die Kundenbindung geht.

  • Für jüngere User (unter 30 Jahren) sind hilfreiche und glaubwürdige Kundenbewertungen zu den angebotenen Produkten wichtiger als für ältere Nutzer (50+ Jahre). Ältere Nutzer achten dagegen mehr auf gute allgemeine Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen.

  • Omnichannel, also die vollständige Nutzbarkeit/Integration aller Prozesse eines Shops über alle Kanäle, ist für junge und weibliche Nutzer besonders relevant.

  • Interessant ist auch der Einfluss des Faktors "Sympathie", der für mehr als 42 % der befragten Internet-Nutzer einen großen oder sehr großen Einfluss auf die Kundenbindung hat. Für jüngere Nutzer ist auch ein innovativer, moderner und trendorientierter Webshop ein gutes Argument, dort wiederholt einzukaufen.

  • Vor wenigen Jahren war die Personalisierung der Informationsangebote ein großes Thema bei der Webentwicklung. Laut dieser Umfrage ist aber eine gute Produktdarstellung für die Nutzer heute wesentlich wichtiger als abgestimmte Angebote oder persönlich im Shop mit Namen angesprochen zu werden.

  • Amazon ist übrigens gleichzeitig der Webshop, wo die meisten Deutschen am liebsten einkaufen, als auch der Online-Shop, wo sie am wenigstens gerne einkaufen. Das negative Bild von Amazon ist allerdings nicht technischer Natur, sondern geht auf die in Verruf geratenen Arbeitsbedingungen bei Amazon zurück. Als wichtigste positive Einflussfaktoren für Amazon spricht der unkomplizierte Bestellvorgang (95,3 % der User, die gern bei Amazon kaufen, sagen dies), schnelle Suchmöglichkeiten (93,4 %) sowie die Übersichtlichkeit dieses Shops (91,5 %).

Die vorliegenden Studienergebnisse sind auch für Informationseinrichtungen von Interesse, soweit sie ein interaktives und/oder mobiles Onlineangebot unterhalten. Die Grundpfeiler für ein erfolgreiches interaktives Angebot finden sich in diesen Studienresultaten: schnelle Suchfunktionen, einfache Bestellvorgänge und mobile Endgeräte, die immer öfter die klassischen Zugangsgeräte PC und Laptop ablösen. Spezielle Shopping-Apps verdrängen auch beim mobilen Online-Kauf immer mehr die installierten Browser. Sie dürften deutlich einfacher zu navigieren sein, als die mobile Website eines Webshops und daher bevorzugt eingesetzt werden. Ob Bibliotheken mit der Entwicklung von eigenen speziellen Bibliotheks-Apps gut bedient sind, ist nicht einfach zu beantworten. Derzeit verdrängen Apps immer mehr die mobilen Browser. Bei einem Anhalten dieser Entwicklung dürfte man früher oder später als Bibliothek kaum darum herumkommen, ebenfalls solche speziellen, kleinen Anwendungsprogramme für mobile Endgeräte zu entwickeln.

Quelle: Fittkau & Maaß Consulting (Hrsg.): "Customer Experience: Webshops, die Kunden begeistern"; 2016, online abrufbar unter http://www.internetworld-messe.de/content/download/1281/13696/file/Studiendokument%20Customer%20Experience%20Internet%20World%20FittkauMaa%C3%9F.pdf
Fittkau, Susanne: "Einkaufen per Smartphone, Tablet & Co. - wie Internet-Nutzer Mobile Commerce erleben: Aktuelle Ergebnisse aus dem W3B-Report 'Mobile Commerce'", 2016, online abrufbar unter http://www.internetworld-messe.de/layout/set/print/content/download/2875/32026/file/FittkauMaass_IWM_2016_Handout.pdf

Schlagwörter: M-Commerce, Mobiletelefone, Online-Handel, Online-Shopping, Smartphones, Tablets, Web-Shops

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