Der deutsche Technologieverband Bitkom hat die aktuelle Smartphone-Nutzung von Jugendlichen und Kindern in Deutschland untersucht. Das Smartphone zählt demnach selbst für viele 6- bis 7-Jährige heute zur Standardausrüstung für ihren Tagesablauf. Die Generation Z ist dazu immer online, d.h. der mobile Internetkonsum begleitet die Jugendlichen und Kinder ständig und überall hin. In einer weiteren Studie des Mobile-Dienstleisters B2X, in Kooperation mit Prof. Dr. Anton Meyer vom Institut für Marketing und Prof. Dr. Thomas Hess vom Institut für Neue Medien an der Ludwig-Maximilians-Universität München, zeigt sich zudem ein hoher Abhängigkeitsgrad bei jüngeren Usern von ihrem Smartphone.
Zuerst zu der Bitkom-Untersuchung. Für die als repräsentativ bezeichnet Umfrage wurden 926 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 18 Jahren befragt. An Resultaten haben sich u.a. ergeben:
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Die Nutzung von Smartphones und Tablets ist in allen untersuchten Altersgruppen im Vergleich zu der Untersuchung im Jahr 2014 teilweise stark angestiegen. Allgemein nutzen die jüngeren Altersgruppen eher ein Tablet als ein Smartphone. Bei den 6-7 Jährigen sind es z.B. 64 % (2014: 28 %), während in dieser Alterskategorie ,,nur" 38 % ein Smartphone verwenden (2014: 20 %). Umgekehrt nutzen die älteren Jugendlichen, z.B. in der Altersgruppe der 16- bis 18-Jährigen zu 94 % ein Smartphone (2014: 88 %), aber nur 41 % ein Tablet (2014: 31 %).
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Mit bereits 10 Jahren besitzen die meisten Kinder und Jugendlichen (67 %) ein eigenes Smartphone. Zum Vergleich: Bei den 10- bis 11-Jährigen besitzen 35 % einen eigenen Computer, 32 % ein Tablet sowie nur 20 % einen eigenen Fernseher. Fernseher (44 %) und Tablet (33 %) sind auch bei den ältesten Jugendlichen in der Alterskategorie der 16- bis 18-Jährigen deutlich weniger häufig, als Computer (79 %) und Smartphone (94 %).
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Das Smartphone ist nicht nur für Erwachsene inzwischen zu einer Allzweckwaffe für ihr Leben geworden, sondern auch für die jüngeren User. Dies zeigt die große Bandbreite an genutzten Funktionen. 88 % telefonieren mit ihrem Smartphone, 83 % hören Musik, 82 % nutzen Kurznachrichtendienste wie WhatsApp, 78 % fotografieren, 78 % surfen im Internet, 61 % nutzen Apps, 54 % die Weckfunktion, 41 % lesen oder schreiben E-Mails und 35 % nutzen die Kalenderfunktion.
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Etwas mehr als ein Viertel (26 %) haben angegeben, dass es wegen dieser exzessiven Nutzung des Smartphones oft zu Streit innerhalb der Familie kommt, und 51 % der Kinder und Jugendlichen können sich inzwischen ein Leben nicht mehr ohne ihr Smartphone vorstellen.
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Nicht überraschend ist daher, dass die 6- bis 18-Jährigen, die das Internet nutzen, bevorzugt mit dem Smartphone online gehen (77 %, 2014: 65 %). Klassische Computergeräte, wie Laptop/Notebook (49 %, 2014: 65 %) und stationäre Computer (35 %, 2014: 46 %) verlieren als Internetzugang weiter an Bedeutung.
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Die Kinder werden heute immer schneller an die Online-Welt herangeführt. Gegenüber 2014 mit 39 % sind heute in der jüngsten hier untersuchten Altersgruppe der 6- bis 7-Jährigen, schon deutlich mehr (48 %) zumindest gelegentlich im Internet unterwegs. Vielleicht entscheidender als diese immer früher stattfindende Online-Nutzung, ist die dort verbrachte Zeit. So haben diejenigen 6- bis 7-Jährigen, die 2014 online waren, nur 11 Minuten pro Tag durchschnittlich im Internet verbracht. 2017 liegt dieser Wert schon bei 39 Minuten, also fast eine Vervierfachung nur innerhalb von drei Jahren. Bei den 8- bis 9-Jährigen sieht es ähnlich aus. Diese verbringen heute 43 Minuten im Schnitt pro Tag online, während es 2014 erst 16 Minuten waren. Am längsten sind die 16 -bis 18-Jährigen im Internet mit 121 Minuten im Schnitt pro Tag (2014: 115 Minuten).
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Das beliebteste soziale Netzwerk bzw. Kurznachrichtendienst ist mit einigem Abstand, und unter allen untersuchten Altersgruppen zwischen 10 und 18 Jahren, WhatsApp vor YouTube. Facebook liegt bei den 16- bis 18-Jährigen nur auf Rang 3, hinter WhatsApp und YouTube. Unter den jüngeren Jugendlichen und Kinder (unter 16 Jahren) sind Instagram und Snapchat beliebter als Facebook. Wenn man beachtet, dass Facebook erst ab 13 Jahre offiziell genutzt werden darf, fallen die 20 % Facebook-User unter den Internet nutzenden 12- bis 13-Jährigen auf. Scheinbar gibt es immer noch viele Minderjährige, die sich auf Facebook anmelden können, ohne dass dies Facebook verhindern kann.
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Bei den jungen Leuten ist eine zunehmende Präferenz zu Musik- und Video-Streaming zu beobachten. Hier sind die Nutzungszahlen seit 2014 sichtbar höher, während gleichzeitig die Nutzung von Musik und Filmen in analoger Form, d.h. CDs und DVDs, eher rückläufig ist. Auch bei anderen beliebten Freizeitbeschäftigungen, wie Spiele und Bücherlesen, nimmt die digitale Nutzung zu, und analog geht zurück, aber nicht in dem Ausmaß, wie es bei Musik und Videos der Fall ist.
Nun zur Studie ,,Smartphone- und IoT-Verbrauchertrends 2017" von B2X, die aufzeigt, was wahrscheinlich viele schon vermutet haben. Die Untersuchungsergebnisse belegen, dass wir immer süchtiger nach unseren Smartphones werden, oder anders ausgedrückt: unsere emotionale Beziehung zum Smartphone wird noch enger. Für die Studie wurden insgesamt mehr als 2.600 Menschen in Brasilien, Deutschland, Indien, Russland und den Vereinigten Staaten interviewt. Zu den wichtigsten Resultaten:
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Weltweit betrachtet verbringen ein Viertel der Millennials mehr als 5 Stunden pro Tag mit ihrem Smartphone. Mehr als die Hälfte (55 %) dieser Nutzergeneration verbringt zumindest 3 Stunden täglich mit dem Smartphone. Im Vergleich dazu nutzen nur 27 % der User der Baby Boomer-Generation ihr Mobiltelefon 3 Stunden täglich.
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48 % der Angehörigen aus der Gruppe der Millennials schaut im Schnitt mehr als 50-Mal am Tag auf ihr Smartphone. Bei den Baby Boomer sind es nur 16 %, die ein solch exzessives Verhalten zeigen.
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Wie hoch die Abhängigkeit von diesem Gerät für viele Nutzer schon geworden ist, lässt sich daran ablesen, dass manche lieber ins Gefängnis gehen würden oder ihre Familie oder Freunde aufgeben würden, als auf ihr Smartphone zu verzichten.
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85,5 % behalten ihr Smartphone rund um die Uhr in direkter Nähe zu ihrem Körper und 25 % behalten es immer an ihrem Körper, sogar in der Nacht, wenn sie schlafen. Der Grund für dieses Verhalten ist ein Bedürfnis nach Schnelligkeit sowie die Angst etwas zu verpassen. So erwarten 57 %, dass Familienangehörige und/oder Freunde sofort oder wenigstens innerhalb von wenigen Minuten antworten, wenn sie eine Nachricht versendet haben.
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Nicht verwunderlich ruft daher der Verlust eines Smartphones erheblich negative Gefühle hervor. 27 % würde ein Verlust frustrieren, 26 % würden sich verloren fühlen, 19 % wären dadurch gestresst und 14 % traurig.
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Und da das Mobiltelefon so einen hohen Stellenwert im Leben vieler Menschen besitzt, ist es nicht überraschend, dass die Konsumenten immer öfter zu eher hochpreisigen Geräten greifen. So planen ca. 10 % der Antwortenden für ihr nächstes Smartphone mehr als 750 $ auszugeben.
Nicht verwunderlich ist bei den vorliegenden Studien-Resultaten, wie die von Bitkom und B2X, dass sich immer mehr Beiträge und Studien mit den negativen Seiten dieser Dauernutzung von Smartphone annehmen, d.h. welche gesundheitlichen und sozialen Folgen haben diese Geräte für die always-on-Generation? Aktuell hat etwa die BLIKK Studie 2017 sich diesem Thema angenommen (Quelle: http://www.drogenbeauftragte.de/presse/pressekontakt-und-mitteilungen/2017/2017-2-quartal/ergebnisse-der-blikk-studie-2017-vorgestellt.html) und in diesem Zusammenhang viel Aufmerksamkeit (und auch Spott für die Art der Präsentation) erhalten. BLIKK steht dabei für ,,Bewältigung Lernverhalten Intelligenz Kompetenz Kommunikation". Für die Untersuchung wurden 5.573 Eltern und deren Kinder zum Umgang mit digitalen Medien befragt. Dabei haben sich u.a. folgende Resultate ergeben:
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Bereits Säuglinge im Alter von 1 Monat bis 1 Jahr können demnach unter Einschlaf- oder Essstörungen leiden, wenn während ihrer Betreuung gleichzeitig digitale Medien konsumiert werden.
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Kinder im Kita-Alter nutzen die Smartphones ihrer Eltern bereits mehr als eine halbe Stunde täglich.
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Bei Kindern im Alter von 2 bis 5 Jahre wurden durch die digitale Mediennutzung Sprachentwicklungs-Störungen beobachtet.
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Bei den Kindern im Alter von 8 bis 13 Jahren wurden deutlich erhöhte Konzentrationsschwierigkeiten festgestellt, wenn die Smartphone-Nutzung täglich über 30 Minuten liegt.
Inwieweit diese Ergebnisse wirklich eine gewisse Allgemeingültigkeit haben, lässt sich schwer beurteilen, da der Untersuchungszeitraum gerade einmal ein halbes Jahr umfasst (Juni 2016 bis Januar 2017). Zudem darf auch der Einfluss der Eltern nicht unterschätzt werden, die bei der Beantwortung der Fragen beteiligt waren. Und viele Auswirkungen dürften erst in ein paar Jahren oder länger wirklich deutlicher zu Tage treten, falls es denn solche Folgen auch tatsächlich gibt. Oft werden in diesem Zusammenhang auch gerne die Vorteile des Lesens von gedruckten Materialien erwähnt, die für den Bildungserfolg entscheidend seien. Der Konsum von digitalen Lesematerialien wird dagegen eher mit negativen Auswirkungen auf Gedächtnis etc. beschrieben. Wenn man bedenkt, dass man in den 1950-er Jahren das Hören von Rock 'n Roll-Platten als ebenso schädlich verdammt hat, sollte man aus heutiger Sicht mit der Interpretation von vielen dieser Studienresultate vorsichtig sein.
Generell ist die Nutzung von Technologie aber längst nicht mehr allein ein Privileg von jungen Menschen. In den USA hat das unabhängige Forschungsinstitut Pew Research Center (Quelle: http://www.pewinternet.org/2017/05/17/tech-adoption-climbs-among-older-adults/) untersucht, wie sich die Nutzung von Technologie durch ältere Menschen in den letzten Jahren verändert hat. Inzwischen besitzen in den USA 42 % der 65-Jährigen und älter ein Smartphone. 2013 lag dieser Anteil erst bei 18 %. 67 % der Senioren nutzen inzwischen auch das Internet. Dies ist eine Zunahme um 55 % seit dem Jahr 2000. 2008 haben erst 2 % der Altersgruppe 65+ soziale Medien genutzt. 2016 liegt dieser Anteil bereits bei 34 %. Zum Vergleich: 68 % aller US-Amerikaner Nutzen heute soziale Medien. Soweit die wichtigsten Resultate aus dieser Studie.
Die Pew-Studie weist auf einen anderen wichtigen Trend der nächsten Jahre hin, nämlich die demografische Entwicklung in vielen westlichen Ländern. Wie für Deutschland auch, wird der Anteil der älteren Bürger, die über 65 Jahre und älter sind, in den nächsten Jahrzehnten schnell zunehmen. Diese Gesellschaften werden in den nächsten Jahrzehnten einen immer höheren Anteil an älteren Personen an der Gesamtbevölkerung aufweisen. In den USA sind heute 15 % älter als 64 Jahre. 2050 wird dieser Anteil schon auf 22 % angestiegen sein. Zieht man die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts heran, lauten die Vergleichsanteile für die Bevölkerungsgruppe der 65-Jährigen und älter für Deutschland bei 20,9 % für 2013 und je nach Grad der Zuwanderung 30,4 % bzw. 31,6 % für 2050. (Quelle: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2015/bevoelkerung/Pressebroschuere_Bevoelk2060.pdf?__blob=publicationFile). Trotz dieser schnell steigenden Nutzungszahlen von digitaler Technologie durch ältere Personen, muss man sich im Klaren sein, dass der Anteil der Nichtnutzer in diesen Altersklasse immer noch relativ hoch ist, besonders im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen.
Zusammengefasst bedeutet dies für Bibliotheken, dass sie sich zukünftig auf sich schnell verändernde Benutzergruppen einstellen müssen, und dies betrifft sowohl, sehr junge mit Technik aufgewachsene User, als auch ältere, die dank höherer Lebenserwartung, auch weiterhin wissens- und lernbegierig sein werden. Diese Nutzergruppen werden sich dadurch auszeichnen, dass sich ihre Vorstellungen und Wünsche sich innerhalb weniger Jahre mehrfach verändern dürften. Die fortlaufende Beobachtung dieser wandelenden Benutzerbedürfnisse rückt somit noch stärker in den Fokus von Informationseinrichtungen, als dies heute bereits der Fall ist. Weiterhin wird die Technologisierung der Gesamtgesellschaft zu einer Herausforderung für die Bibliotheken des 21. Jahrhunderts. Wie will man eine Generation, die praktisch von Kindesbeinen mit digitaler Technologie und Medien aufgewachsen ist, von den Vorteilen einer alten Institution überzeugen, wie es eine Bibliothek ist? Eine Grundvoraussetzung ist sicherlich die verschiedenen Dienste und Angebote mobil zu gestalten, d.h. sie müssen auch über Smartphones einfach nutzbar sein. Zudem muss der Wandel von analogen Medien zu digitalen Medien weiter vorangetrieben werden. Die Präferenz der Jugendlichen für digitale Medien, wie sie die Bitkom-Studie aufzeigt, ist eine Tatsache, die sich nicht umkehren lässt. Wobei anzumerken ist, dass gedruckte Bücher in Deutschland auch bei den jüngeren Altersgruppen einen hohen Stellenwert besitzen.
Quellen:
B2X (Hrsg.): ,,Smartphone-Sucht wächst: 25% der Millennial-Generation verbringen mehr als 5 Stunden täglich am Mobiltelefon"; Pressemitteilung vom 18. Mai 2017, online abrufbar unter https://www.b2x.com/de/smartphone-sucht-w%C3%A4chst-25-der-millennial-generation-verbringen-mehr-als-5-stunden-t%C3%A4glich-am
Bitkom (Hrsg.): ,,Jung, digital und immer online: Für die Generation Z gilt mobile first"; Pressemitteilung vom 16. Mai 2017, online abrufbar unter https://www.bitkom.org//Presse/Presseinformation/Jung-digital-und-immer-online-Fuer-die-Generation-Z-gilt-mobile-first.html
Schlagwörter:
Abhängigkeit, Internet, Millennials, Mobiltelefone, Nutzungsverhalten, Smartphones