Editorial 5-2017
Datum: 19. Juli 2017
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Die Invasion der Roboter

Fin Tech ist auf dem Vormarsch. Der Begriff steht für Finanztechnologie und wird oft auch synonym für junge Unternehmen und deren Produkte benutzt, die Aufgaben klassischer Banken übernehmen. Das hört sich auf den ersten Blick doch nach nichts Besonderem an und ist schon gar nicht furchterregend, oder? Ist es auch nicht – zumindest nicht für die Kunden, die Finanzdienstleistungen benötigen und diese bislang gerne wochentags zwischen 9 und 16 h bei ihrer Bank beziehen konnten. Es hört sich gut an für die vielen jungen Firmen und Startups, die solche Dienstleistungen durch unkomplizierte, kundenfreundliche Online Plattformen anbieten.

Angst haben plötzlich nur die Banken und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die gerade von den einst so mächtigen Finanzinstituten in Scharen entlassen werden, weil Fin Tech ihnen den Job nimmt. Das ist zwar traurig für die einzelnen Betroffenen, aber ein ganz normaler Vorgang für eine im Umbruch befindliche Branche, die zunächst das Zeitalter der Kundenfreundlichkeit und danach das Zeitalter des Digitalen schlicht verschlafen hat. „Banking is necessary, banks are not“ war die klare Aussage von Bill Gates vor zwei Jahren.

Neben Fin Tech kommt jetzt Legal Tech und schon wieder gerät eine ganze Branche in Aufruhr. Die Monopolstellung der Juristen in einer überorganisierten Gesellschaft wie der unseren gerät ins Wanken, zu lange war man der Meinung, dass Banker, Anwälte und Ärzte unersetzlich seien. Ja genau: Healt Tech. Auch diese digitalen Plattformen und Helfer entlasten den medizinischen Spezialisten von so mancher Routineaufgabe und helfen (zumindest) die Standardprozesse zu automatisieren.

Dass Fin Tech, Legal Tech und Health Tech dabei nicht nur intellektuelle Kapazität (also Menschen) von Routineaufgaben entlasten, sondern durch den (automatisierten) Rückgriff auf riesige statistische Datenmengen (Big Data) oft zu einem besseren Ergebnis führen als die Engführung einer einzigen Person in Form eines Bankberaters, Juristen oder Mediziners kommt noch dazu.

Kommt neben Fin, Legal und Healt nun auch noch Library Tech?

Teilweise ist diese Technologie in den automatisierten Suchsystemen längst Realität, in den bis jetzt aber noch immer „intellektuell dominierten Domänen“ könnte es in naher Zukunft kommen.

Chatbots und andere digitale Assistenten könnten bald das übernehmen, was Bibliothekarinnen und Bibliothekare bislang noch als Person hinter dem Schalter, am Schreibtisch oder am Telefon tun. Dass dabei „Library Tech“ durch den Rückgriff auf große Datenmengen im Hintergrund vielleicht auch wieder ein noch besseres Beratungsergebnis erzielt, als eine subjektiv gefärbte und individuelle Auskunft, macht die Überlegung noch reizvoller.

Wir berichten über Chatbots als Unterstützung der bibliothekarischen Auskunft und über digitale Assistenten im Allgemeinen ab den Seiten 9 und 33.

Ob das jetzt flächendeckend kommt oder das Thema „Library Tech“ noch in den Kinderschuhen steckt ist dabei zweitrangig. Wichtig ist nur, dass man sich rechtzeitig und offensiv damit auseinander setzt, damit unsere Bibliothekarinnen und Bibliothekare nicht ebenso wie die Banker scheinbar ohne Vorwarnung ganz plötzlich auf der Straße stehen.

Herzlich

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.