Editorial 2-2017
Datum: 18. März 2017
Autor: Erwin König
Kategorien: Editorial

Hiring for attitude!

Personelle Ressourcen sind das A und O einer wissensgetriebenen Gesellschaft und natürlich ganz besonders einer wissensbasierten und wissensgetriebenen Einrichtung, wie es Bibliotheken sind. Denn neben den Inhalten („Beständen“) und den Räumen sind es vor allem Dienstleistungen, die die Bibliotheken ihren Kunden zunehmend vermitteln und die die bisherigen Angebote an Bestand und Inhalten ergänzen oder ersetzen. Dienstleistungen aber werden von Menschen erarbeitet und erbracht und sie tragen wie kaum andere Produkte und Waren den Stempel der personellen Ressourcen und ihrer Fähigkeiten und Qualitäten.

Auswahl, Qualifikation und Weiterbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unseren Bibliotheken sind deshalb entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg einer Informationseinrichtung und weit wichtiger noch als vielleicht ein paar Prozent mehr oder weniger Erwerbungsetat.

Deshalb sind in den letzten Jahren zunehmend folgende Fragen in den Vordergrund getreten: Welche Qualifikation braucht eine gute Mitarbeiterin oder ein guter Mitarbeiter in der Bibliothek? Was müssen er oder sie gelernt haben? Welche formalen Abschlüsse sind erforderlich und welche müssen wir erwarten können? Welche nachgewiesenen handwerklichen Fähigkeiten sind wünschenswert?

Wir widmen uns in dieser Ausgabe der Library Essentials in einem Beitrag genau einer dieser Fragen und zwar nach den erforderlichen IT-Qualifikationen von Bibliothekaren (Seite ???). Es ist zu diesen essentiellen Themen viel geschrieben aber leider nur wenig geforscht worden und so geistern noch immer Stellenanzeigen im Netz herum, deren Anforderungsprofil mit einer Stellenanzeige von vor 30 Jahren nahezu identisch ist.

Das ist sicher wenig sinnvoll, weil wir in unseren Bibliotheken und Informationseinrichtungen heute ganz andere Rahmenbedingungen haben und völlig andere Angebote und Produkte im Portfolio führen. Zudem haben sich die Anforderungen seit der Digitalisierung so grundlegend und so oft verändert, dass es in der Tat schwer fällt, immer ein aktuelles und vor allem zukunftsfähiges Anforderungsprofil vorhalten zu können .

So langsam aber setzt sich die Erkenntnis durch, dass vor allem die viel gerühmte Flexibilität und dauernde Lernbereitschaft das Wichtigste bei der Auswahl von Personal darstellt. Denn es wird zunehmend schwierig bis unmöglich heute genaue Kompetenzen und (formale) Qualifikationen zu benennen, die auch in einem oder zwei Jahren noch belastbar wären, denn niemand kann in die Zukunft unserer Branche sehen.

Ich schlage deshalb vor, die Prioritäten weniger auf Kompetenzen und Qualifikationen zu legen, sondern vielmehr auf die „Attitude“, also das, was man im Deutschen etwa mit „innerer Haltung“ oder „Einstellung“ übersetzt.

Denn auch wenn alle Stricke beim Herausfinden der nötigen Qualifikation reißen – eines ist sicher: Nur Personal mit der richtigen „Attitude“ wird in der Lage sein heute, morgen und übermorgen all jene Produkte und Dienstleistungen zu vermitteln, die wir heute noch gar nicht kennen.

Das jeweilige Handwerkszeug dazu wird sich die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter der richtigen Attitude dann schon aneignen.

Herzlich

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.