Editorial 10-2014
Datum: 5. Januar 2015
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Können Computer Romane schreiben?

Diese und ähnliche Fragen werden jeweils am Jahresende auf der National Novel Writing Month, einer Konferenz für Schriftsteller in den USA, diskutiert. Dabei werden auch Bücher vorgestellt (und gedruckt), die durch Computerprogramme geschrieben worden sind. Noch ist man sich nicht einig, ob auf diese Weise überhaupt künstlerisch-kreative Schriftstellerei möglich ist oder ob es sich um eine ideenlose, von reinen Computerhirnen zusammengestellte Folge von Wörtern und Sätzen handelt, bar jeglichem künstlerischen Wert. Immerhin ist zumindest aber die Erstellung eines solchen Computerprogramms zum Schreiben eines Romans ein kreativer Akt.

Für uns (wissenschaftliche) Informationsprofis ist diese Frage aber mehr oder weniger akademisch. Viel wichtiger dagegen sind Beobachtungen, dass es im Journalismus schon gang und gäbe ist, Texte durch Computerprogramme schreiben zu lassen. Auf der Basis von Wirtschaftsdaten, etwa Quartalszahlen von Unternehmen oder dem Verlauf eines Aktienindex, lassen sich so korrekte und gut lesbare Beiträge automatisch generieren.

Ebenso gibt es bereits wissenschaftliche Beiträge, die unter Nutzung von (quantitativen) Forschungsergebnissen automatisch erstellt werden. In einem Beitrag der Zeitschrift „Nature“ etwa wurde berichtet, dass schon viele computergenerierte Texte bei Herausgebern von wissenschaftlichen Journalen eingereicht werden, die größtenteils auch positiv durch den Begutachtungsprozess gegangen waren.

Warum auch nicht, geht es doch bei wissenschaftlichen Beiträgen nicht um sprachliche Brillanz und kreatives Wording, sondern um die Darstellung und Erläuterung von Versuchsergebnissen. Warum ein solcher Automatenbeitrag dann aber noch auf dem klassischen Weg in einer Zeitschrift veröffentlicht werden muss, die für viel Geld von Bibliotheken zu abonnieren ist, erschließt sich nicht mehr. Die Selbstveröffentlichung auf der eigenen Homepage, in einem Blog oder im institutionellen Repositorium wäre dann der konsequentere Weg.

Die Wissenschaftskommunikation ändert sich also gerade an vielen Fronten. Vielleicht gehört die Aufregung um Zeitschriftenpreise, Big Deals und Urheberrechte ja bereits 2015 der Vergangenheit an. Sie werden es hier erfahren!

Ich wünsche Ihnen im Jahr 2015 eine spannende Lektüre und viele Anregungen mit unseren Library Essentials.

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.