„Die Krux der Sharing Economy“ oder „Der Spagat zwischen offenen und geschlossenen Daten“
Open-Access ist nicht mehr aufzuhalten, im Gegenteil. Der freie Zugang zu wissenschaftlichen Informationen und Daten als Folge der Bemühungen der umfassenden Open-Access-Bewegung ist eine der größten Erfolgsgeschichten in der Entwicklung der Wissenschaftskommunikation. Im Ergebnis stehen riesige Mengen wissenschaftlicher Literatur, Informationen und Daten nicht nur kostenlos, sondern auch frei zugänglich zur Verfügung. Wer zu Beginn der Open-Access-Bewegung noch meinte, damit werde nur die intellektuelle Nutzung einzelner Fachartikel durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ermöglicht, muss sein Bild deutlich erweitern. Im Zeitalter künstlicher Intelligenz sind es vor allem Maschinen, die auf die freien Datenmengen aus Wissenschaft und Forschung zugreifen. Das ist nicht verwunderlich und auch prinzipiell erwünscht. Wenn Suchalgorithmen die Datenbanken absuchen und wertvolle, valide Informationen und Literatur zusammentragen, ist der Open-Access-Gedanke Realität geworden. Heute allerdings grasen nicht mehr nur einzelne Suchalgorithmen die Datenbanken nach Informationen und Literatur ab, sondern ganze Netzwerke von Suchsystemen, gesteuert von künstlicher Intelligenz, greifen auf die Datenbanken und ihre Plattformen zu. In der Folge geht nicht nur die Performance der Datenbanken in die Knie, sondern es kommt regelmäßig vor, dass individuelle Suchanfragen gar nicht mehr gestartet und durchgeführt werden können. Zusätzlich gibt es eine ganze Reihe schädlicher Suchboots, die die frei zugänglichen wissenschaftlichen Datenbanken torpedieren und die Leistungsfähigkeit der zu Grunde liegenden Systeme regelmäßig an ihre Grenzen bringen.
Wir diskutieren in diesem Heft eine Studie, die einen neuen Journal Impact Factor durch Nutzung von künstlicher Intelligenz, hier konkret durch ChatGPT, vorstellt. (Journal Impact Factors: Wie ChatGPT wissenschaftliche Zeitschriften beurteilt)
Der Journal Quality Factor, wie er genannt wird, ist eine sinnvolle und wünschenswerte Ergänzung zu den klassischen Impact Faktoren, wie sie in Web of Science oder Scopus erstellt werden. Allerdings – und hier sind wir wieder bei der Ausgangsdiskussion unseres Editorials – benötigen die Large Language Models, die diesen Journal Quality Factor erzeugen, Zugriff auf die Open Access verfügbaren wissenschaftlichen Daten und Informationen.
Die neue Sharing Economy der wissenschaftlichen Daten und Informationen stellt hier einen beinahe unauflöslichen Zielkonflikt dar, denn auf der einen Seite zwingt der Wunsch nach Zugänglichkeit und freien wissenschaftlichen Daten durch die intensive Nutzung mit maschineller Logik die Systeme immer wieder in die Knie, während intellektuelle Nutzung dadurch immer häufiger unmöglich wird.
Die Welt der freien Daten in Wissenschaft und Forschung hat also ihren Preis. Sie wird konterkariert durch massenhafte Nutzung maschineller Suchalgorithmen, absichtlicher Hackerangriffe und kommerzieller Nachnutzung im Netz.
In Zukunft wird es erforderlich sein, klar zu definieren, wie frei wissenschaftliche Daten und Literatur wirklich sein sollen, wo und wie die technischen Grenzen gezogen werden oder ob gar juristische Nutzungsbarrieren aufzurichten sind.
Die eher naive Vorstellung der frühen Open-Access-Bewegung, alles, was frei ist, sei gut, kommt hier an ihre Grenzen.
Liebe Leserinnen und liebe Leser, mit diesen Gedankenanstößen wünsche ich Ihnen im Namen der gesamten Redaktion frohe Feiertage und einen guten Start ins Jahr 2025.
Herzlich
Ihr Rafael Ball