Zur Zukunft der Suche
Datum: 24. Juni 2013
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Ein von dem bekannten Internetexperten Phil Bradley aufgegriffener Beitrag der Technologie-Website Buzzfeed hat einigen Aufruhr in der Internetgemeinde hervorgerufen. Bradley wertet die vorliegenden Daten – Google soll in den letzten 8 Monaten knapp 30% weniger Suchanfragen zu den wichtigsten Nachrichtenportalen in den USA weitergeleitet haben – als einen weitgehenden Wandel bei der Online-Suche von den herkömmlichen Suchmaschinen hin zu den sozialen Medien. Gleichzeitig sei die Anzahl von Weiterleitungen über soziale Netzwerke entsprechend gestiegen. Also, ein klarer Fall von verändertem Suchverhalten? Amüsanterweise hat Google praktisch gleichzeitig in diesen Tagen vermeldet, dass sich die Suche in den nächsten Jahren komplett verändern wird, allerdings Dank Erneuerungen bei der Google-Suchmaschine selbst. Also, ändert sich die Websuche, so wie wir sie kennen, tatsächlich?

Nutzen wirklich mehr User nun die Möglichkeit, sich in sozialen Netzwerken über bestimmte Themen zu informieren, d.h. suchen sie jetzt öfter als bisher mit Facebook als mit Google? Die Antwort dürfte wohl eher „Nein“ lauten. Bei der Interpretation der vorliegenden Zahlen sind viele verschiedene Einflüsse nicht berücksichtigt worden. Einige Experten verweisen z.B. richtigerweise darauf, dass Apple in der neuesten Version ihres Internetbrowsers Safari die Weiterleitungen über Google­-Suchanfragen unterdrückt. So sieht es für die Homepage-­Betreiber aus, als ob ein Besucher ihre Seite direkt aufgerufen hat. Sieht man den Marktanteil von mobilen Endgeräten mit iOS­Betriebssystemen, wird deutlich, dass allein dadurch bereits ein großer Teil dieses vermeintlichen Rückgangs erklärt werden kann. Man kann die Sache aber auch noch von einer anderen Seite aufbröseln, die erheblichen Zweifel an dieser Theorie aufkommen lassen. Dazu reicht ein Blick in die aktuellen Unternehmenszahlen von Google und Facebook. Google hat in den letzten 12 Monaten weiter beim Internetwerbemarkt deutlich zugelegt. Facebook hat dagegen eher ein lauwarmes Ergebnis präsentiert. Gäbe es diese Wanderbewegung von herkömmlichen Suchmaschinen zu sozialen Netzwerken in dem vorgestellten Ausmaß wirklich, müsste sich dies auch deutlich im Anzeigenergebnis ablesen lassen. Bisher ist davon aber nichts zu erkennen.

Die von BuzzFeed vertretene Meinung, dass wir einen deutlichen Wandel sehen bei der Art, wie User Inhalte und Informationen sich beschaffen, kann daher auch nicht unwidersprochen bleiben. Natürlich nutzen viele User, wenn sie sich auf einer sozialen Plattform befinden, auch die Möglichkeit, sich über bestimmte Themen zu informieren oder auszutauschen. Ob dadurch aber das automatische „googeln“ bei der Informationssuche unterdrückt wird, scheint doch eher fragwürdig zu sein. Die Suchmöglichkeiten in den sozialen Netzwerken sind immer noch sehr unzureichend, und die Menge der verwertbaren Inhalte, die man dort befindet, sind ebenfalls noch eher mäßig. So lange sich dies nicht ändert, wird der durchschnittliche Internetuser im Zweifelsfall eher bei Google z.B. nach entsprechenden Reiseangeboten suchen als bei Facebook.

Und was ist von der Ankündigung von Google über ein komplett neues Suchmöglichkeiten zu halten? Amit Singhal, ein führender Google-­Manager, der zuständig für die Weiterentwicklung der Suchmaschine ist, hat an der jährlichen Entwicklerkonferenz Google I/O in San Fran­cisco im Mai 2013 so etwas wie das Ende der herkömmlichen Suche im Web angekündigt. Konkret soll in den nächsten Jahren das lästige Eintippen von Suchanfragen nicht mehr nötig sein. Bei dieser Weiterentwicklung der bestehenden Google-­Suche können die User ohne Eintippen einfach eine mündlich formulierte Frage an Google übermitteln. Die Suchmaschine kann unter Berücksichtigung des Kontextes eine Antwort anbieten, die dann in einer oder mehreren weiteren Fragen des Users münden. Es wird sozusagen ein Frage-­Antwort­Dialog zwischen Mensch und Maschine erzeugt, entsprechend dem bekannten Vorbild des Bordcomputers aus der Science Fiction TV­Serie Star Trek.

Zusammengefasst sind beide Nachrichten kaum so relevant, wie es die Autoren wohl viel­ leicht gerne sehen würden. Die Dominanz von Google bei der herkömmlichen Internetsuche wird auch durch die sozialen Medien kaum so schnell zu brechen sein, wie sich das vielleicht nicht wenige Beobachter sogar wünschen würden. Und das ist auch wahrscheinlich  gut so. Schließlich scheint die Ablösung von halbwegs ausgewogenen Suchtreffern, die auf zugegebenermaßen unvollkommenen Algorithmen beruhen, in der Mehrzahl der Fälle immer noch besser zu sein, als die mit Halbwissen, oder noch schlimmer “Glauben”, durchzogenen Empfehlungen von Freunden in sozialen Netzwerken. Aber auch die Ankündigung von Google über eine vermeintliche Revolution der Suche ist ebenfalls maßlos übertrieben. Einen alten Hut, wie natürliche Sprachabfragen und ein Assistenzsystem, nun als das Nonplusultra zu verkaufen, ist eher der Abteilung Marketing zuzurechnen. Ob Suchanfragen mittels mündlicher Sprache oder per Eintippen von einzelnen Stichwörtern über die Tastatur erfolgt, ändert im Prinzip nichts an der Antwortqualität einer Suchmaschine. Die Möglichkeit Suchanfragen mündlich in ganzen Sätzen zu formulieren ist einfach eine Hilfe für die User, wie es auch die Suchvorschläge von Google sind, während man Suchbegriffe in die Suchmaschine eingibt.

Quellen:

http://philbradley.typepad.com/phil_bradleys_weblog/2013/05/is­search­traffic­dropping.html

http://www.buzzfeed.com/aswini/where­did­all­the­search­traffic­go

http://www.heise.de/newsticker/meldung/Google­traeumt­vom­Ende­des­Googelns­1864042. html

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