ROI-Studie zu einer der größten Bibliotheken der Welt
Datum: 12. Januar 2014
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Die Toronto Public Library ist eines der größten und bestausgelasteten Bibliothekssysteme dieser Welt. Die Bibliothek wurde 1883 gegründet und besitzt insgesamt mehr als 11 Mio. Materialien. Nächstes Jahr plant die Bibliothek die Eröffnung seiner 100. Zweigstelle. Zur Bestimmung des ökonomischen Werts,  den diese Informationseinrichtung für die Stadt Toronto besitzt, wurde jüngst das Martin Prosperity Institute beauftragt, den Return on Investment (ROI – deutsch Rendite) der Toronto Public Library zu errechnen. Dies ist für Kanada die erste ROI-Studie bezogen auf eine Bibliothek.

Der ökonomische Wert der Öffentlichen Bibliothek von Toronto wird aus der Summe von den folgenden drei Elementen berechnet:

  • 1. Die direkten Ausgaben für die Bibliothek, d.h. Gelder die die öffentliche Hand ausgibt, damit die Informationseinrichtung ihr Geschäft betreiben kann. Hierunter werden Ausgaben für Materialien, Löhne und andere operative Ausgaben verstanden.
  • 2. direkte, materielle Vorteile, die eine Person oder eine Organisation durch die Nutzung der Informationseinrichtung erhalten. Dieser Nutzen kann zuverlässig geschätzt werden.
  • Das 3. Element sind die sogenannten immateriellen Güter. Diese nicht greifbaren, physischen Vorteile sind das Ergebnis von Multiplikatoren-Effekte, die durch die direkten Ausgaben entstehen. Ein ausgegebener Dollar, der z.B. einem Handwerksunternehmen gezahlt wird für die Renovierung einer Zweigstelle, wird erneut in der Kommune ausgegeben und so weiter. Ein einziger Dollar erzeugt so zusätzlichen Nutzen für die Gemeinschaft. Um diesen immateriellen Wert abzuschätzen, werden Multiplikatoren eingesetzt.

In die ROI-Berechnung fließen 5 Hauptarten von angebotenen Programmen und Dienstleistungen ein:

  • Die Nutzung von Sammlungen wie Bücher, DVDs, Zeitschriften, Zeitungen, CDs oder elektronischen Publikationen.
  • Programme für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren, um Lesen und Schreiben, Kultur, Personalentwicklung und lebenslanges Lernen zu fördern.
  • Auskunfts- und Datenbankdienste, um Studien und Wirtschaft zu unterstützen.
  • Zugriff auf Technologie – wie Computer – ermöglichen, um berufliche Entwicklung, persönliche Recherchen und lebenslanges Lernen der Benutzer zu unterstützen.
  • Das Anbieten von Räumen, die zum Lesen, persönlichem Studium, Treffen und Zusammenarbeit genutzt werden können.

Hier die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung:

  • Die gesamte wirtschaftliche Wertschöpfung der Toronto Public Library beläuft sich für die Stadt Toronto auf 1 Mrd. $.
  • Für jeden in diese Einrichtung investierten Dollar erhalten die Einwohner der größten kanadischen Stadt einen Gegenwert von 5,63 $.
  • Jeder Besitzer eines Bibliotheksausweises erhält im Durchschnitt Dienstleistungen im Wert von mehr als 500$ durch die Bibliothek zurück.
  • Durchschnittlich generiert jede der aktuell 98 Zweigstellen der Toronto Public Library einen wirtschaftlichen Wert von 2.515 $ für Toronto. Die durchschnittlichen Kosten für eine Stunde Öffnungszeit beträgt dagegen lediglich 653 $. Somit erzeugen die Zweigstellen im Durchschnitt den vierfachen Wert ihrer Kosten.
  • Die Rendite für die Öffentliche Bibliothek von Toronto beträgt im Jahr 2012 sagenhafte 463%. Dieser Wert stellt dabei den Mittelwert zwischen einer sehr konservativen Schätzung mit 244% und einer optimistischeren Schätzung mit sogar 681% dar.

In diesem Bericht werden zum Vergleich auch die ROI-Berechnungen von einigen anderen Bibliotheken aufgeführt:

  • State Library of Victoria, Australia (2011): 3,56 $
  • Florida Public Libraries (2010): 8,32 $
  • Santa Clara County Library District (2013): 5,17 $
  • Texas Public Libraries (2011): 4,42 $

Damit liegt die Toronto Public Library mit einem ökonomischen Wert von 5,63 $ aus einem ausgegebenen Dollar im Mittelfeld. Dies zeigt insgesamt eindrucksvoll, welchen  wirtschaftlichen Wert  Bibliotheken für die Allgemeinheit besitzen.

Die vorliegende Untersuchung muss auch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, dass diese Informationseinrichtung seit einigen Jahren verstärkt unter den ständigen Einsparungen der öffentlichen Hand leidet. So hat die Bibliothek heute ca. ein Viertel weniger Mitarbeiter, als dies noch vor 20 Jahren der Fall war. Um dieser schleichenden Vernachlässigung durch die öffentliche Hand zu begegnen, hat die Bibliothek vor geraumer Zeit eine Imagekampagne gestartet, um sich gegen die Budgetkürzungen zur Wehr zu setzen. Dass diese Bibliothek eine nützliche und wirtschaftlich sinnvolle Einrichtung ist, belegen die vorliegenden Zahlen des Martin Prosperity Institute eindrücklich. Von daher wäre es sicher besser gewesen, wenn diese Berechnungen schon ein paar Jahre vorher durchgeführt worden wären. So hätte man sehr gute Argumente gehabt, um diese schmerzhaften Etatkürzungen zumindest abzuschwächen oder sogar ganz zu verhindern. Es ist nämlich zweifelhaft, ob die Stadt Toronto ein in ökonomischer Hinsicht  lohnenderes Projekt in ihrem Haushaltsschatulle besitzt. So gesehen kann der Weg der ROI-Errechnung eigentlich jeder Informationseinrichtung empfohlen werden, und nicht erst dann, wenn der Sparzwang durch die Träger schon zugeschlagen hat.

Quelle:

Martin Prosperity Institute (Hrsg.): "So Much More: The Economic Impact of the Toronto Public Library on the City of Toronto"; December 2013, online verfügbar unter http://www.torontopubliclibrary.ca/content/about-the-library/pdfs/board/meetings/2013/dec09/10_1.pdf

 

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