Print ist tot, lange lebe Print!
Datum: 10. Februar 2013
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Gedruckte Zeitungen und Magazine sind nach Meinung vieler Branchenkenner ein Auslaufmodell. Selbst viele Verlage sehen dies inzwischen genauso und stecken inzwischen mehr Energie in den peinlichen Kampf um das vermeintliche goldene Vlies namens Leistungsschutzrecht alias "Lex Google", anstatt ihre Inhalte qualitativ zu verbessern. Eine abweichende Meinung zu diesem Thema vertritt das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG). Die Analysten von BCG vermuten die Print-Medien keineswegs in einer ausweglosen Sackgasse, sondern vielmehr sehen sie in den nächsten Jahren große Chancen für diejenigen Unternehmen, die sich schon heute (oder wohl besser gestern) mit der richtigen Strategie bewaffnen.

Eine nicht anzuzweifelnde Tatsache ist allerdings, dass die Printmedien mehrheitlich in vielen Industrieländern in den letzten Jahren schwere Einbußen bei Auflagen und Anzeigen- und Werbeeinnahmen hinnehmen mussten. So sind z.B. von 2006 bis 2011 in den USA die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft für Zeitungen um jährlich durchschnittlich 12% und in Deutschland um 2,8% zurückgegangen. Bei den Zeitungsauflagen betragen diese Rückgänge von 2006 bis 2011 in den USA im jährlichen Durchschnitt -3,2% und in Deutschland -4,3%. Eine Ausnahme bilden derzeit die Schwellenländer, wo die Printmedien noch ein Wachstum aufweisen, da diese Volkswirtschaften sich durch Einkommenszuwachs und steigendes Bildungsniveau auszeichnen.

In denjenigen Ländern, in denen das Printgeschäft rückläufig ist, wird meistens zuerst mit der üblichen Dampfhammermethode reagiert, d.h. Kostensparen, wo es nur geht. Diese höchstens auf der kurzfristigen Ebene wirksame Strategie, führt mittel- und langfristig ins Nirgendwo. In Deutschland kann man dies gut beobachten, wo das aktuelle Zeitungssterben (Financial Times Deutschland, Frankfurter Rundschau etc.), wohl erst am Anfang steht. Eine andere Strategie ist das Ausweichen in die Online-Welt, d.h. das Geschäftsmodell wird in die digitale Welt übertragen. Dies erfordert aber erhebliche Ausdauer von den Medien-Unternehmen und deren Aktionären, da dieser Wandel nicht über Nacht umzusetzen ist. Diese Transformation ist nämlich umfassend, d.h. die Unternehmen müssen ihr Geschäft praktisch für jeden einzelnen Bereich neu überdenken, planen, agieren und Erfolge definieren. Die entscheidende Frage für die Zeitungsverlage ist, ob sie den Spagat zwischen Erhalt der kurzfristigen Leistung sowie der Planung und Umsetzung einer langfristigen Vision schaffen. Um es kurz zu machen, BCG hat für dieses Problem auch keine 100%-sichere Lösung vorzuweisen, da solch eine einfache und vollumfängliche Lösung natürlich nicht existiert. BCG bietet aber eine Schrittfolge für den notwendigen Transformationsprozess an.

Die folgenden drei aufeinander aufbauenden Handlungsempfehlungen sieht BCG als wesentlich:

  • Ausreichend Geld beschaffen, um diese Reise ins Ungewisse finanzieren zu können.
  • Mittelfristige Ziele, die man sich gestellt hat, auch zu erreichen.
  • Der Aufbau des richtige Teams, der richtigen Organisation und der richtigen Unternehmenskultur.

Jeder dieser einzelnen Schritte ist abhängig von den anderen. So kann man nicht Ziele erreichen, wenn die Finanzierung nicht ausreichend ist. Und es ist unwahrscheinlich, dass man ausreichend Zeit erhält, ein neues Team und eine neue Organisation aufzubauen, wenn nicht vorher schon gewisse Erfolge nachgewiesen werden können.

Die Finanzierung bzw. Mittelbeschaffung kann u.a. auf folgendem Wege umgesetzt werden:

  • Reduzieren der Kosten/Ausgaben oder Restrukturierung, etwa durch Abbau von Management-Bereichen oder Prüfung der Erscheinungshäufigkeit von Publikationen. Diese Maßnahme haben viele Medienunternehmen bereits getroffen und können dadurch auch die Management-Ausgaben deutlich zurückfahren, teilweise zwischen 15 und 20%. Es besteht aber noch weiteres Einsparpotenzial, z.B. durch eine Neuprüfung der bestehenden Anbieter- und Lieferantenbeziehungen, Straffung der Redaktion oder das Teilen von Inhalten. Es geht natürlich noch eine Stufe weiter, z.B. durch das Outsourcing bestimmter Bereiche oder den verstärkten Einbezug von kostengünstigeren freien Mitarbeitern.
  • Die Umsätze bzw. Einnahmen erhöhen, indem man z.B. die Verkaufs- und Abonnementspreise erhöht. Möglich ist auch die Einrichtung von Paywalls für die produzierten digitalen Inhalte. Hierbei ist aber entscheidend, dass einzigartige und differenzierte Inhalte angeboten werden. Dies bedeutet im Grundsatz thematische Nischen zu besetzen. Allgemeine und überall erhältliche Nachrichtenbereiche sind dagegen seinen Kunden nur schwer als kostenpflichtige Informationen zu vermitteln. Weiterhin sollte versucht werden, die Anzeigen- und Werbeeinnahmen zu steigern. Wichtig sind hier die Beziehungen zu den potenziellen Werbepartnern zu verbessern. Dies kann z.B. in der Form geschehen, dass man spezielle Anreize zur Leistungssteigerung für die Vertriebsmitarbeiter in der Anzeigenabteilung anbietet.

Um die diversen Anspruchsgruppen in dieser Transformationsphase zu beruhigen, sollte innerhalb von 1 bis 3 Jahren auch gewisse Erfolge erzielt werden (Mittelfristige Zielerreichung):

  • Eine Möglichkeit diese Erfolge vorweisen zu können, ist z.B. die Prüfung und mögliche Konzentrierung des vorhandenen Publikations-Portfolios. Folge davon ist oft eine höhere Profitabilität, da weniger margenreiche Titel aussortiert werden. Der dadurch erzielte höhere  Cash Flow kann wiederum in die profitableren Publikationen investiert werden.
  • Fast ein absolutes Muss ist ein Kurswechsel von dem klassischen, täglichen Nachrichtenkreislauf hin zu einer "Digital zuerst"-Mentalität. Nur dadurch kann den Konsumenten ein Echtzeit-Produkt angeboten werden, wie diese es heute eigentlich mehrheitlich erwarten.

Als letztes zum Aufbau eines neuen Teams sowie einer Umstrukturierung der eigenen Organisation:

  • Nur durch ein neu gestaltetes Talentmanagement und Mitarbeiterbindungs-Programme werden die Zeitungen in der Lage sein, das dringend benötigte talentierte Personal zu erhalten und auch zu halten. 

Die vorliegende Analyse von BCG zeigt deutlich auf, dass die meisten Print-Verlage durchaus eine Chance haben, ihr Geschäft in das digitale Zeitalter zu retten. Allerdings sind die von vielen Medien-Unternehmen gemachten Anstrengungen viel zu kurz gedacht und eine große, langfristige Vision gibt es meistens nicht. Und nein, Google und andere vermeintliche Trittbrettfahrer für alles zur Kasse zu bitten, ist keine langfristig orientierte Vision oder eine überlebensfähige Strategie, sondern wohl eher das berühmte Eigentor. Das hier vorgestellte Transformations-Modell scheint übrigens nicht nur für die geplagten Printmedien einen gangbaren Weg darzustellen, um im digitalen Zeitalter relevant zu bleiben, sondern auch für die ebenfalls durch Internet, neue Technologien, wirtschaftliche Sparkurse und neue Benutzergenerationen immer mehr unter Druck geratenen Informationseinrichtungen.

Quelle:

Devineni, Mythili et al.: "Transforming Print Media: Managing the Short Term While Restructuring for the Future"; Boston Consulting Group (Hrsg.), Dezember 2012, online abrufbar unter der Internetadresse https://www.bcgperspectives.com/content/articles/media_entertainment_digital_economy_transforming_print_media/

 

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