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Basierend auf dem einflussreichen Artikel mit dem Titel „The Web is Dead, Long Live the Internet.“ aus dem Wired-Magazin aus dem Jahr 2010 (URL: http://www.wired.com/magazine/2010/08/ff_webrip/all/1) hat sich die US-amerikanische Internetforschungorganisation Pew Internet in Zusammenarbeit mit der Elon University den wichtigsten dort gemachten Aussagen und Prognosen angenommen. So sind die „Wired“-Autoren Chris Anderson und Michael Wolf z.B. der Meinung, dass das World Wide Web bereits ein Auslaufmodell sei. Aufgrund der immer stärkeren Verbreitung von mobilen Endgeräten und des mobilen Webs werde das Web über kurz oder lang durch eine Art App-Welt ersetzt werden. Webgründer Tim Berners-Lee betont dagegen, dass mit der immer größeren Verbreitung der Apps der zentrale Grundgedanke des Webs gefährdet ist, d.h. die Vernetzung von Informationen. Apps führen zu einer immer stärkeren Zerklüftung des Webs in kleine Informationsinseln. Mit der vorliegenden Untersuchung wird erörtert, wie die Entwicklung bis zum Ende dieses Jahrzehnts für das Web aussehen könnte. Dazu wurde eine nicht-repräsentative Befragung unter 1.021 Internetfachleuten durchgeführt, die Stellung zu der Debatte „Web vs. Apps“ nehmen sollten.
Viele bekannte Technologie- und Internetexperten, wie der neue Apple-Chef Tim Cook, schließen sich der in dem Wired-Beitrag zum Ausdruck gebrachten Sichtweise an. So würde der Schwerpunkt bei der Entwicklung von Software und Tools von Desktop-Rechnern immer öfter zu mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablet-Rechnern wandern. Es ist aber eines, ob sich Hersteller von mobilen Endgeräten – die selbst mit solchen Apps viel Geld verdienen – zu diesem Thema äußern, oder ob man eine Allgemeinheit aus Interfachleuten dazu befragt. Die vorliegenden Resultate von Pew Internet deuten eher darauf hin, dass das Web wohl noch ein paar gute Jahre vor sich hat. Die App-isierung des Internets, bzw. die damit einhergehende Vereinfachung des Internets, ist nämlich nicht ohne einen gewissen Preis zu erhalten.
Klar ist allerdings, dass mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablet-Rechner oder Netbooks in naher Zukunft das Mittel der Wahl für die meisten Internetuser sein werden, um sich mit dem Internet zu verbinden. Dies geht gerade im privaten Bereich auch mit einem Verkaufsrückgang von stationären Computern und einer Zunahme von mobilen Geräten einher. So sollen laut einer Prognose des Marktforschungsinstituts Gartner im Jahr 2014 allein 1 Milliarde Smartphones verkauft werden, und dabei den erwarteten Absatz von PCs um das doppelte übertreffen.
Zuerst noch einige Aussagen aus dem besagten Wired-Beitrag:
- So sehr wir das offene und freie Web auch mögen, wir werden es zu Gunsten von einfacher zu nutzenden Diensten aufgeben.
- Die kleineren Bildschirme der mobilen Endgeräte zwingen hier fast automatisch zu einer Verschlankung der angebotenen Inhalte und Programme, d.h. vorwiegend Apps.
- Aus diesem Grund werden auf diesen mobilen Endgeräten auch die Browser umgangen. Die User wollen das Internet nutzen, und nicht auf solch kleinen Endgeräten im schwer zu navigierenden Web surfen.
- Das Web wird zwar weiterhin ein Raum sein, wo User allerlei Inhalte erstellen und austauschen können. Allerdings ist zu bezweifeln, dass das WWW weiterhin der ultimative Marktplatz für die digitale Bereitstellung von Inhalten bleibt.
Bei der von Pew Research durchgeführten Befragung handelt es sich übrigens nicht um eine exakte statistische Auswertung der gefundenen Antworten und Ansichten, sondern vielmehr um eine allgemeine Zustandsbeschreibung der aktuellen Meinungen zu diesem Thema. Folgende Aussagen und Resultate haben sich in dieser Studie u.a. ergeben:
- Insgesamt 59% der Umfrageteilnehmer können sich der Aussage anschließen, dass das WWW im Jahr 2020 stärker als jemals zuvor im Leben der User verankert ist. So wird das offene Web weiterhin ein lebendiger und sich weiter entwickelnder Ort sein, in dem die Nutzer einen Großteil ihrer verfügbaren Zeit für Arbeit, Freizeit, Kommunikation und Inhaltserstellung verbringen. Apps spielen für diese Usergruppe zwar weiter eine wichtige Rolle, aber sie werden nur für bestimmte Informationen und Anwendungen genutzt. Kurz gesagt ist diese Teilnehmergruppe der Meinung, dass das Web auch 2020 wesentlich wichtiger für ihr Leben ist, als es Apps sind.
- Die "Anti-Web"-Gruppe ist in dieser Umfrage 35% groß. Diese nutzen Apps mittels Internetverbindung, um Online zu arbeiten, zu kommunizieren und Inhalte zu erstellen. Grundsätzlich glauben diese Studienteilnehmer, dass das "herkömmliche" Web im Jahr 2020 keinen so hohen Stellenwert mehr für ihr Leben haben wird. Ein Großteil ihres Lebens wird dann durch Aktivitäten über Apps ausgefüllt werden.
Die Pro Web-Antwortenden haben u.a. folgende Begründungen für ihre Einschätzung aufgeführt:
- Die Architektur des Webs, d.h. die Offenheit und einfache Erweiterbarkeit, ist praktisch konkurrenzlos. Selbst wenn die Wirtschaft sich immer mehr mobilen Endgeräten und Apps zuwendet, ist diese Architektur ein unschlagbarer Vorteil. Von daher ist es nicht ganz nachvollziehbar, wieso man auf diese vielfältigen Webportale und Informationen in Zukunft verzichten sollte.
- Der Browser wird weiterhin entscheidende Vorteile gegenüber den Apps besitzen. Ein Browser ermöglicht den vollständigen Zugang zum gesamten Internet, volle Kompatibilität, und bietet Verlagen(!) und Entwicklern wesentlich mehr Möglichkeiten. Allerdings versprechen sich gerade Verlage von den Apps die Lösung aller ihrer Probleme. In Wirklichkeit liegt hier aber eine Selbsttäuschung vor, da es bei den Apps nur um die vermeintlich bessere Kontrolle über ihre Inhalte geht, als um das Anbieten von besseren Plattformen für ihre Nutzer.
- Neue Webstandards wie HTML5 werden das bestehende Web weiterentwickeln und die verfügbaren Funktionen und Möglichkeiten laufend verbessern und erweitern. Mit HTML5 wird es auch möglich sein, Webseiten für mobile Endgeräte attraktiv aussehen zu lassen und besser nutzen zu können. Sobald die Browser HTML5-fähig sind, werden diese die jetzigen Apps auf Geräten wie Kindle oder iPhone ersetzen. Der bekannte Zukunftsforscher John Smart sieht dies ähnlich. Er geht sogar einen Schritt weiter und ist der Meinung, dass Apps nur eine zeitliche Übergangslösung darstellen. Momentan sind Apps einfache Tools, die helfen, ein noch sehr primitives Web zu erweitern. Mittel- bis langfristig werden Apps aber durch neue Alternativen ersetzt werden, die auch für komplexere Plattformen genutzt werden können und zudem standardisiert sind.
Die Anhänger einer „App-Welt“ sehen u.a. folgende Vorteile auf Seiten der Apps gegenüber dem Web:
- Der Komfort, den die Apps bieten, entspricht eher den menschlichen Wünschen und Bedürfnissen. Wenn Menschen die Wahl haben, würden sie sich mehrheitlich immer für die einfachere Lösung entscheiden. Allgemein wollen die User einfach kostenlose Inhalte, Unterhaltung und Dienste, die sie interessieren, und zwar direkt auf dem Gerät vor ihnen.
- Das offene Web hat sich längst verändert. Dazu müsse man nur die 800 Mio. Facebook-User fragen, die mehrheitlich über mobile Endgeräte und Apps auf ihre Facebook-Accounts zugreifen.
- Apps sind für Unternehmen interessanter, da mit diesen leichter und mehr Geld zu verdienen ist.
- Das Web ist eher etwas für Leute, die etwas finden, nachdem sie gar nicht gesucht haben. Apps vereinfachen so gesehen das Leben, da sie praktisch nur das bieten, was man auch will.
Weitere Meinungen zum Thema „Web gegen/mit Apps“ sind etwa:
- Apps sind wie Fernsehkanäle, d.h. geschlossene Informationssysteme. Von daher würde sich unsere Gesellschaft in einer von Apps beherrschten Welt von "Couch-Potatoes" zu "App-Potatoes" entwickeln.
- Die Frage "Apps oder Web?" stellt sich für viele Umfrageteilnehmer gar nicht. Sie sehen eher eine hybride Welt mit Web und Apps.
Apps sind unbestritten praktisch und bieten sowohl für User als auch für die Unternehmen zahlreiche Vorteile. Betrachtet man diese Sichtweise allerdings aus volkswirtschaftlicher und auch aus Sicht von Informationsspezialisten, so könnte die Einfachheit der Apps in der Zukunft noch teuer bezahlt werden. Konzentrieren sich etwa Unternehmen vermehrt nur mehr auf Apps, und umgehen zudem die User auf ihren Smartphones immer öfter das offene Web, würde es nicht verwundern, wenn die Anzahl der Websites und die dort enthaltenen Inhalte und Informationen zurückgehen würde. Folge wäre vermutlich ein immenser Wissens- und Informationsverlust. Es besteht somit tatsächlich eine gewisse Gefahr, dass das Web – wie so mancher Internetdienst aus früheren Tagen – des Netzes irrelevant wird. Wer erinnert sich noch an Gopher oder WAIS? Selbst Telnet oder FTP sind schon heute den meisten Usern kein Begriff mehr. Während das Web die in diesen früheren Diensten enthaltenen Inhalte visualisiert und für jeden einfach und besser nutzbar gemacht hat, wird mit den Apps praktisch einer, wenn nicht zwei Schritte zurück in der Entwicklung gemacht.
Kurz gesagt widersprechen Apps in vielem dem, was das Internet eigentlich bisher ausgezeichnet hat. Erfunden wurden sie eigentlich nur, weil die Bildschirme und die Rechenleistungen der mobilen Endgeräte sehr beschränkt sind. Diese Lücke zwischen Apps und Web verspricht in Zukunft HTML5 zu schließen. Ob ein hybrides Modell Sinn macht, das von vielen der in dieser Studie befragten Experten als am wahrscheinlichsten angesehen wird, muss allerdings auch hinterfragt werden. Die Apps werden selbst immer umfangreicher und komplexer. Zudem entwickelt sich parallel zum „alten“ Web 1.0 auch immer stärker das Web 2.0. Ob es sich für Unternehmen lohnt, hier langfristig zweigleisig zu fahren, erscheint schon aus ökonomischer Sicht auf Dauer zweifelhaft zu sein. Es ist daher auch nicht unrealistisch anzunehmen, dass eines dieser Systeme komplett auf der Strecke bleibt. Für Informationsspezialisten und für Gesellschaft allgemein wäre wohl zu wünschen, dass es die Apps sind.
Quelle:
Anderson, Janna; Rainie, Lee; Pew Internet & American Life Project (Hrsg.): „The Future of Apps and Web“; online verfügbar unter der Internetadresse http://www.pewinternet.org/Reports/2012/Future-of-Apps-and-Web.aspx bzw. als PDF-Download unter http://www.pewinternet.org/~/media//Files/Reports/2012/PIP_Future_of_Apps_and_Web.pdf
Basierend auf dem einflussreichen Artikel mit dem Titel „The Web is Dead, Long Live the Internet.“ aus dem Wired-Magazin aus dem Jahr 2010 (URL: http://www.wired.com/magazine/2010/08/ff_webrip/all/1) hat sich die US-amerikanische Internetforschungorganisation Pew Internet in Zusammenarbeit mit der Elon University den wichtigsten dort gemachten Aussagen und Prognosen angenommen. So sind die „Wired“-Autoren Chris Anderson und Michael Wolf z.B. der Meinung, dass das World Wide Web bereits ein Auslaufmodell sei. Aufgrund der immer stärkeren Verbreitung von mobilen Endgeräten und des mobilen Webs werde das Web über kurz oder lang durch eine Art App-Welt ersetzt werden. Webgründer Tim Berners-Lee betont dagegen, dass mit der immer größeren Verbreitung der Apps der zentrale Grundgedanke des Webs gefährdet ist, d.h. die Vernetzung von Informationen. Apps führen zu einer immer stärkeren Zerklüftung des Webs in kleine Informationsinseln. Mit der vorliegenden Untersuchung wird erörtert, wie die Entwicklung bis zum Ende dieses Jahrzehnts für das Web aussehen könnte. Dazu wurde eine nicht-repräsentative Befragung unter 1.021 Internetfachleuten durchgeführt, die Stellung zu der Debatte „Web vs. Apps“ nehmen sollten.
Viele bekannte Technologie- und Internetexperten, wie der neue Apple-Chef Tim Cook, schließen sich der in dem Wired-Beitrag zum Ausdruck gebrachten Sichtweise an. So würde der Schwerpunkt bei der Entwicklung von Software und Tools von Desktop-Rechnern immer öfter zu mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablet-Rechnern wandern. Es ist aber eines, ob sich Hersteller von mobilen Endgeräten – die selbst mit solchen Apps viel Geld verdienen – zu diesem Thema äußern, oder ob man eine Allgemeinheit aus Interfachleuten dazu befragt. Die vorliegenden Resultate von Pew Internet deuten eher darauf hin, dass das Web wohl noch ein paar gute Jahre vor sich hat. Die App-isierung des Internets, bzw. die damit einhergehende Vereinfachung des Internets, ist nämlich nicht ohne einen gewissen Preis zu erhalten.
Klar ist allerdings, dass mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablet-Rechner oder Netbooks in naher Zukunft das Mittel der Wahl für die meisten Internetuser sein werden, um sich mit dem Internet ...