Editorial 7-2019
Datum: 7. Oktober 2019
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Maschinenträume

Es klingt doch so verlockend: Artificial Intelligence oder Künstliche Intelligenz macht alles besser, schneller und leichter. Wir brauchen uns nicht mehr abzumühen, es genügt, die Systeme für uns arbeiten zu lassen, die Algorithmen erledigen die Arbeit und durch Künstliche Intelligenz werden die Systeme selbstlernend und immer besser. Alles was wir noch tun müssen, ist zuschauen und staunen, was rund um uns passiert.

Gerade und besonders für Bibliotheken und Informationseinrichtungen klingt das noch verlockender (oder bedrohlicher), da es sich bei Künstlicher Intelligenz quasi um unsere originäre Informationsarbeit handelt, die wir in unseren Einrichtungen leisten. Zwar würden wir uns einerseits über maschinelle Unterstützung freuen (Bibliotheken gehören ja auch zu den Erstanwendern von Computern, sowohl für ihre internen Prozesse als auch für den Kundenservice), andererseits fragen wir uns zu Recht, ob es da eine Entwicklung gibt, vor der wir wegen der Arbeitsplatzsicherheit Respekt haben sollten und deren Leistungspotenzial wir nur schwer einschätzen können.

Tatsächlich jedoch sind Einsatz und Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz noch weit davon entfernt, uns als Profis überflüssig zu machen. Denn wenn wir uns in Erinnerung rufen, dass es eine ganze Generation gedauert hat, bis die gedruckten Katalogkarten einigermaßen professionell in einen elektronischen Bibliothekskatalog, den so genannten OPAC, überführt waren, dann werden wir noch viele Jahrzehnte warten müssen, bis uns die weit komplexere Materie der Künstlichen Intelligenz helfend zur Seite springt oder gar unsere intellektuelle Arbeit überflüssig macht. Denn der entscheidende Unterschied zwischen menschlicher und maschineller Intelligenz lässt sich an der Frage festmachen, was denn nun genau vom Gehirn oder der CPU des Rechners geleistet werden kann. Und hier lohnt sich ein genaueres Hinsehen: Die Maschine leistet keine „cognition“, sondern lediglich „recognition“. Und damit erkennt sie Muster schneller und besser als der Mensch – nicht mehr und nicht weniger. Sie kann nämlich keine Ursachenforschung betreiben, sondern nur Korrelationen erkennen. Der Zugang zu Kausalität bleibt ihr verschlossen. Damit ist Künstliche Intelligenz ein tolles Hilfsmittel für unsere tägliche Arbeit – ersetzen wird und sie uns nicht.

Derlei getrost können wir uns also weiter ans Werk machen und Dienstleistungen und Produkte für die Unterstützung unserer Kundinnen und Kunden neu- und weiterentwickeln.

Anregungen dazu gibt es in dieser Ausgabe von Library Essentials mehr als genug. Außerdem empfehle ich einen Blick in und auf die Frankfurter Buchmesse. Und wir freuen uns auch auf einen Besuch an unsrem Stand oder über Ihre Teilnahme an den Veranstaltungen des b.i.t.sofas. Das Programm dazu finden Sie auf der Seite 2 in diesem Heft.

Herzlich

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.