Editorial 2-2018
Datum: 27. März 2018
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Bibliotheken werden politisch – tatsächlich?

Am 1. und 2. März 2018 fand der erste bibliothekspolitische Kongress in Berlin statt. Der Deutsche Bibliotheksverband hatte ihn ausgerufen mit dem Ziel, vor allem politische Entscheidungsträger im Land mit bibliothekarischen Themen zu erreichen, und deshalb auch das Titelthema „Zugang und Teilhabe im digitalen Wandel“ gewählt. Vor vielen Jahren hieß ein Slogan schon einmal „Bibliotheken auf die Tagesordnung“, und so ähnlich kam denn auch der bibliothekspolitische Kongress an, freilich ergänzt von der Bundesvorsitzenden des DBV, Barbara Lison, um das Motto „Libraries matter“.
Aber so ganz überzeugen konnten weder die fachlichen Protagonisten mit ihren Inputreferaten zwischen Ahnungslosigkeit und Spezialistentum noch die Moderatoren, die allesamt überraschend schwach vorbereitet und noch weniger in der Lage waren, die Diskussionen mit den richtigen Fragen anzukurbeln oder auf den Weg zu bringen. Auch die wenigen anwesenden Politiker auf dem Podium haben kaum verstanden, welche Probleme und Fragen hier an sie adressiert werden sollten. zu werden scheinen.
Als Beispiel sei nur das Thema „Öffnungszeiten“ erwähnt. Genug, dass genau dieses Thema von vorgestern ausgerechnet vom Sprecher des DFKI (Deutsches Forschungszentrum für künstliche Intelligenz) und ehemaligen Präsident der DGI vehement vorgebracht wurde, erlitt es prompt politischen Schiffbruch: Der „Aufweichung von Sonntagsarbeit“ stimmte die SPD-Vertreterin aus ideologischen Gründen nicht zu, der CDU-Mann hingegen verwies auf die christliche Partei als Grund gegen die Sonntagsöffnung. So einfach kann Politik sein und so simpel ihre Protagonisten.

Aber auch die bibliothekarischen Fachleute haben sich auf dem bibliothekspolitischen Kongress nicht mit Ruhm bekleckert. Der Wunsch nach bundesweiter Finanzierung für überregionale Projekte im Forschungsdatenmanagement etwa und der flehentliche Ruf „Wir kommen hier nicht weiter“ wurden nicht nur lapidar mit dem Hinweis auf die elaborierten Verfahren und Prozesse zur Abstimmung zwischen Bund und Ländern abgetan, sondern zeigten zugleich, dass es der Ruf nach staatlicher Hilfe ist und weniger die selbstbestimmte Eigeninitiative, die in der DNA von Bibliothekaren steckt. Zentrale Lösungen, Zuständigkeiten und Finanzierungen in einem föderalistischen System zu fordern, treibt den schleichenden Verlust von Zuständigkeit und Autonomie subsidiärer Verantwortungsteilung nur weiter voran. Damit verloren gehen Freiheit, Verantwortung und Wettbewerb, dem man sich freilich stellen muss. Wer aber in der Wissenschaft den Wettbewerb zwischen den Hochschulen und Ländern ausschalten will, hat das Grundprinzip von Wissenschaft nicht verstanden und auch nicht das der zugrundeliegenden Infrastruktur.

Der erste bibliothekspolitische Kongress war dennoch ein Erfolg. Der zweite muss folgen und jene Themen adressieren, die dieses Jahr durchs Raster gefallen sind oder gar geworfen wurden. Welche das sein könnten, lesen Sie in der vorliegenden Ausgabe von Library Essentials: Weiterbildung, Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte, Fake News sind nur einige unserer spannenden Themen.

Und ja: Libraries matter: Dafür bleibt des Veranstaltern zu danken und eine gute Hand und viel Erfolg für die „Durchführung Nummer Zwei“ zu wünschen.

Herzlich
Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.