Editorial 10-2016
Datum: 8. Januar 2017
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

traditionsgemäß erscheint die letzte Ausgabe der Library Essentials, also die Nummer 10 eines jeden Jahrgangs, zu Beginn des Neuen Jahres. Das ist der richtige Moment, die entscheidenden Themen des abgelaufenen Jahres Revue passieren zu lassen und gleichzeitig nach vorne zu sehen und die kommenden Trends zu beleuchten.

So hat uns das vergangene Jahr z.B. mit den Themen „Erkenntnis ohne Lesen durch Text- und Datamining“, „Digitale Disruption und ihre Auswirkungen auf die Bibliotheken“, „Sci-Hub als Alternative für die Bibliothek“ oder auch mit dem Dauerthema „Open Access“ beschäftigt.

Einige Themen sind von der Innovationsliste in die „Routineecke“ abgewandert, etwa die Fragen zum Forschungsdatenmanagement oder das Thema „Maker und Creativity Spaces“ als Ergänzung zu den klassischen Lesesälen. Dass diese Aufgaben von (wissenschaftlichen) Bibliotheken geleistet werden müssen, steht inzwischen längst außer Frage, jetzt bleibt nur noch deren (durchaus herausfordernde und interessante) Umsetzung und Ausgestaltung.

Viele der Themen jedoch sind „Dauerbrenner“, die uns auch in den folgenden Jahren (vielleicht sogar Jahrzehnten) beschäftigen werden, so das Thema Open Access (oder besser allgemeiner gefasst als Veränderung der Wissenschaftskommunikation), die Gestaltung von Lizensierungsmodellen und der Umgang mit Marktmacht in der Medienwelt (Stichwort DEAL) oder Urheberrechtsfragen zur Veröffentlichung, Nachnutzung und Archivierung von digitalen Informationen. Aber auch die Folgen der digitalen Disruption insgesamt oder die Anwendung und Möglichkeiten von Big Data in Bibliotheken haben nicht nur großes Innovationspotenzial, sondern werden uns in den nächsten Jahren eine ganze Reihe noch ungeahnter Chancen bieten. Sie haben die Kraft, die Informationsbranche samt Bibliotheken grundlegend zu verändern.

2016 war für Bibliotheken aber auch ein zunehmend politisches Jahr. Selten zuvor haben sich Wissenschaftsmanager und Politiker aus höchster Ebene in das operativ-strategische Geschäft der Bibliotheken eingebracht. So etwa bei den Lizenzverhandlungen mit großen Medienunternehmen. Ob das wirklich hilfreich war und ist oder eher das Ende der professionellen Selbstbestimmtheit von Informationseinrichtungen mit ungewissem Ausgang einläutet, wird sich in den kommenden Jahren zeigen…

Wir beginnen bereits in diesem Heft mit der Abarbeitung der spannenden Zukunftsthemen: So stellen wir den Sinn oder Unsinn von mobilen Applikationen in Bibliotheken zur Diskussion, berichten über sinnvolle und hilfreiche Methoden für die Vernetzung und Zusammenarbeit von Bibliotheken und stellen auch schon erste Trends der Informationsbranche vor: Aufstieg der Plattformen, endgültige Integration aller Daten und deren Vernetzung, das Ende von Benutzeroberflächen und stattdessen der Einsatz virtueller Realitäten, die Vernetzung im Internet und Robotik sowie – und das läßt für den bibliothekarischen Arbeitsmarkt aufhorchen – ein Mangel an Talenten aufgrund der Demographie und veränderten Prioritäten der Generation Y in der Arbeitswelt.

Wie Sie sehen, starten wir in ein spannendes Arbeitsjahr. Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg und Inspiration auch und gerade durch unsere kontroversen Beiträge in den Library Essentials.

Herzlich

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.