Editorial 05-2013
Datum: 23. Juni 2013
Autor: Rafael Ball
Kategorien: Editorial

Die Gigabit-Gesellschaft 2017

Das amerikanische IT Unternehmen CISCO hat in seiner „Cisco´s Visual Networking Index Forecast“ für uns in die Zukunft geschaut und herausgefunden, was wir alle schon ahnten, ohne es quantifizieren zu können:
2017 werden 3,6 Milliarden Menschen online sein, das entspricht dann 48 % der Weltbevölkerung. Es wird mehr als 17 Milliarden Netzwerkverbindungen geben (in diesem Jahr sind es 12 Milliarden), und es werden allein im Jahr 2017 mehr Daten durch die Netze fließen als in den vergangenen 20 Jahren zusammen. Vor allem werden fast zwei Drittel des Internetverkehrs über WLAN und mobile Endgeräte erzeugt, hochauflösende Videos und 3D ­Produkte werden dabei rund 65 % des Video ­Datenverkehrs ausmachen und bewegte Bilder der Content-­Treiber sein. Dass dabei der Haupttraffic durch die Region Asien-­Pazifik verursacht wird und Westeuropa mit nur noch 24 % des Datenverkehrs abgeschlagen am unteren Ende liegt, macht die Sache für uns Europäer nicht bequemer.

Und die Bibliotheken? Werden sie von diesen Entwicklungen profitieren? Oder darunter leiden? Auf alle Fälle werden sie betroffen sein und sind gut beraten, sich solche Vorhersagen genau anzuschauen, damit nicht plötzlich der Datenverkehr samt Informationsmanagement und Kunden an ihnen vorbeiläuft.

Eine australische Studie zu diesem Thema allerdings sieht Bibliotheken auch in Zukunft krisensicher, wenn sie richtig aufgestellt sind. Die „Australian Library and Information Association“ hat in einem Diskussionspapier „The future of the Profession: Themes and Scenarios 2025” dazu Stellung genommen. Und herausgekommen sind viele positive Aspekte, die den Bibliotheken – ganz gleich ob Schul­, Universitäts­ oder Öffentliche Bibliotheken – eine klare Zukunftsoption eröffnen. Ganz im Gegensatz zu manch düster­deutschen Trauergedanken über das Ende der Bibliotheken allgemein und das einsame Überleben von Staatsbibliotheken in Bayern und Sachsen dank historischer Gebäudeensemble. Die Australier zeigen uns, wie man positiv denkt und wie man durch professionelles modernes Management, entlastet von historischem Ballast und staubigen Altbeständen, gerade deshalb anerkannter Dienstleister auch in einer digitalen Zukunft bleiben kann.

Die Visionäre von „Down Under“ hätten ihren Staat nicht aufbauen können, hätten sie ständig in der Art deutscher Melancholie über das nahende Ende von Diesem und Jenem philosophiert.

Und wer weiß, vielleicht sind es am Ende gerade jene 99 % der gesichts-­ und namenlosen Bibliotheken in Deutschland, die aufgrund frischer Denke und optimistischer Kundenfreundlichkeit den deutschen Miesepeter überleben, und eben nicht die altehrwürdigen Häuser mit ihren altehrwürdigen Bibliothekaren und den altehrwürdigen Bedenkenträgern.

Ich wünsche Ihnen viele Anregungen und eine spannende Lektüre unserer neuen Ausgabe von
„Library Essentials“!

Ihr Rafael Ball

Über Rafael Ball

Rafael Ball studierte die Fächer Biologie, Slawistik und Philosophie an den Universitäten Mainz, Warschau und Smolensk. 1994 wurde er am Institut für Allgemeine Botanik der Universität Mainz zum Dr. rer. nat. promoviert. Bekannt ist er für seine Ideen zur Bibliothek der Zukunft, zur Wissenschaftskommunikation und zur heutigen Rolle des gedruckten Buches. Er ist außerdem Chefredakteur der Zeitschrift B.I.T.online.