Die neuen Rahmenbedingungen für Bibliotheken
Datum: 3. Januar 2013
Autor: Erwin König
Kategorien: Kurz notiert

Auf einer Veranstaltung des SWON Libraries Consortium hat der Direktor der Internetforschungsorganisation "Pew Research Center’s Internet & American Life Project" die Ergebnisse verschiedener von Pew Internet durchgeführten Studien vorgestellt, die sich mit den Einflussfaktoren auf die Zukunft der Bibliotheken beschäftigen. Diese Präsentation liefert eine sehr gute Übersicht und Zusammenstellung über die sich für Informationsspezialisten wandelnden Rahmenbedingungen. Nicht nur haben wir es mit immer neuen Technologien zu tun, auch unsere User ändern ihren Umgang mit diesen Technologien fortlaufend.

Die Präsentation enthält u.a. folgende interessante Aussagen und Fakten:

  • Die digitale Revolution Nr. 1 ist die Verbreitung von breitbandigen Internetzugängen. In den USA verfügen bereits 66% aller über 18-jährigen Amerikaner über einen schnellen Breitband-Internetzugang von zu Hause aus. Die mühevolle Einwahl ins Internet über Telefonmodems für schmalbandige Zugänge machen in den USA nur mehr 3% aus.
  • Die 2. digitale Revolution ist die Verbreitung von Mobiltechnologie. So nutzen 89% der US-Amerikaner ein Mobiltelefon, 46% ein Smartphone und 35% besitzen einen Tablet-Rechner. Insgesamt gibt es 2012 mehr mobile Anschlussverträge (321,7 Mio.) in den USA als Einwohner. Auch die Nutzungszahlen von Apps gehen kontinuierlich nach oben. 2012 haben mehr als 43% der erwachsenen Mobiltelefonbesitzer eine App auf ihr Gerät heruntergeladen.
  • Die 3. Welle der digitalen Revolution sind die sozialen Netzwerke. 59% aller US-Amerikaner, die älter als 18 Jahre alt sind, nutzen soziale Netzwerke. In der Altersgruppe der 18 bis 24 Jährigen sind es sogar schon 92%, bei den 30 bis 49 Jährigen sind es 73%, und in der Gruppe der 50 bis 64-Jährigen sind es 57%. Die größten Steigerungsraten findet man momentan allerdings bei der Gruppe der ältesten User, die über 65 Jahre alt sind. Allein gegenüber 2011 ist in dieser Usergruppe die Nutzung von sozialen Netzwerken um 9% auf heute 38% angestiegen.
  • Weiterhin finden die elektronischen Lesegeräte, sei dies ein E-Bookreader oder ein Tablet, immer weiter Verbreitung in der amerikanischen Bevölkerung. So besitzen im August 2012 22% der erwachsenen US-Amerikaner einen E-Bookreader und 25% ein Tablet. Auffällig ist die Absatzentwicklung von Dezember 2011 zum Januar 2012. Allein in diesem einen Monat wurde, angeheizt durch die Weihnachtszeit, der Anteil von jeweils 10% auf 19% bei beiden Endgerätetypen nahezu verdoppelt. Ob dieses Jahr wieder ähnliches passiert?
  • Weiterhin verliert zumindest in den USA das gedruckte Buch an Beliebtheit. Haben im Juni 2010 noch 95% ein gedrucktes Buch gelesen, und nur 4% ein E-Book, waren es im Dezember 2011 nur mehr 84% und 15% haben ein E-Book gelesen. Die Nutzungshäufigkeit von Hörbüchern hat in diesem Zeitraum weder zugelegt, noch abgenommen, und liegt unverändert bei 4%.
  • Merkmale des typischen E-Book-Lesers sind das Alter (unter 50 Jahre), das Bildungsniveau (College-Abschluss) und das Einkommen (lebt in einem Haushalt mit mehr als 50.000 USD Einkommen).
  • 12% der E-Book-Leser, dies entspricht 4% der gesamten US-Bevölkerung, haben ein E-Book in einer Bibliothek ausgeliehen. 68% der Nichtausleiher wissen allerdings nicht, dass es überhaupt diese Möglichkeit zur Leihe von elektronischen Büchern gibt.
  • Probleme die bei Ausleihe eines E-Books auftreten sind fehlende Kompatibilität des eigenen E-Bookreaders (sagen 18%), weil es eine Warteliste gibt (52%) oder weil die Bibliothek das E-Book schlicht nicht besitzt (56%).

Diese Präsentation enthält noch zahlreiche weitere Zahlen und Fakten. Erwähnenswert ist vielleicht, dass für viele User die Bibliothek noch immer mit "Büchern" gleichgesetzt wird. Nicht verwunderlich, dass nach all den Jahren immer noch Benutzer nicht wissen, welche umfangreichen elektronischen Dienstleistungen ihre Bibliothek im Angebot haben. Marketingtechnisch ist hier also noch erheblich Potenzial nach oben vorhanden, um die Bibliothek auch in der Zukunft für neue Benutzer attraktiv zu machen. Vergessen werden darf dabei nicht, dass Bibliotheken nicht im Wettstreit miteinander stehen, sondern mit den Informationsangeboten und -diensten von großen Technologieunternehmen wie Amazon, Apple, Facebook, Google und vielen anderen. Die Zusammenarbeit mit anderen Informationseinrichtungen und Institutionen könnte hier gerade für kleinere Bibliotheken noch einiges an Synergien, bringen.

Quelle:
Rainie, Lee: "The changing world of libraries"; Präsentation vom 28. November 2012, online abrufbar unter http://www.pewinternet.org/Presentations/2012/Nov/The-changing-world-of-libraries.aspx

Schlagworte: 10-2012 | Bibliotheken | E-Book

Mehr zum Thema:

Zukunft der Statistik

Die Kommission Zukunft Statistik (KomZS), eingerichtet vom Statistischen Bundesamt, hat ihren Abschlussbericht am 16. Januar 2024 vorgelegt. Unter der Leitung von Dr. Walter Radermacher, ehemaliger Präsidenten des Statistischen Bundesamtes und Generaldirektor von...

Warum Bücherklauen aus der Mode gekommen ist

In australischen Bibliotheken herrscht Ungewissheit über das Ausmaß von gestohlenen oder verloren gegangenen Medien, wie der Bibel oder DVDs, da diese nur selten erfasst werden. Zudem haben viele Bibliotheken Mahngebühren abgeschafft. Eine Besonderheit sind...